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DAMASKUS/WASHINGTON
Westen erwägt Militärschlag in Syrien
Flüchtlingsnot: Soldaten im nordirakischen Erbil verteilen Essen an Syrer, die wegen der anhaltenden Kämpfe aus ihrem Heimatland geflohen sind.
Foto: dpa | Flüchtlingsnot: Soldaten im nordirakischen Erbil verteilen Essen an Syrer, die wegen der anhaltenden Kämpfe aus ihrem Heimatland geflohen sind.
Von unserem Korrespondenten MARTIN GEHLEN
 |  aktualisiert: 25.08.2013 19:30 Uhr

US-Präsident Barack Obama steht im Wort. Nach dem mörderischen Giftgaseinsatz bei Damaskus geraten die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten in Europa unter wachsenden Druck, erstmals mit Waffengewalt in den Syrienkrieg einzugreifen. Pentagonchef Chuck Hagel erklärte am Sonntag, man habe auf Anordnung des Präsidenten verschiedene militärische Optionen vorbereitet und stehe bereit, sie umzusetzen.

Die USA verlegten insgesamt vier Zerstörer vor die Küste Syriens im östlichen Mittelmeer, die Cruise Missiles an Bord haben. In Jordanien hatte das Weiße Haus zuvor schon zusätzliche F-16-Jäger und Patriot-Abwehrraketen stationieren lassen sowie eine 150-köpfige, spezielle Eingreiftruppe gegen Chemiewaffen. Obama erklärte, das Giftgas-Massaker sei ein „großer Vorgang“ und er wolle zunächst alle Ermittlungen vor Ort abwarten. Definitiv schloss er nach einem Treffen mit seinem Sicherheitskabinett aus, die amerikanische Armee werde im Alleingang handeln.

Frankreichs Präsident François Hollande unterstrich, alle Befunde deuteten darauf hin, dass das Assad-Regime „für diese ungeheuerliche Tat“ verantwortlich sei, und dass dies eine „glaubwürdige internationale Reaktion“ erforderlich mache. Ähnlich äußerte sich auch der britische Regierungschef David Cameron, der am Wochenende mit Obama telefonierte. Arabische Liga und Golfstaaten dagegen hielten sich bisher auffällig bedeckt.

Die westliche Empörung zeigte am Sonntag erstmals in den Rängen des Assad-Regimes Wirkung. Überraschend erklärte sich Damaskus am Nachmittag nach tagelangem Zögern bereit, die vor einer Woche eingereisten 20 UN-Giftgasexperten in dem verseuchten Gebiet Proben nehmen zu lassen, um die Verantwortlichen zu ermitteln. Die entsprechende Vereinbarung zwischen der Regierung in Damaskus und den Vereinten Nationen trete sofort in Kraft, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums. Die deutsche UN-Diplomatin Angela Kane hatte die Vereinbarung am Sonntag bei einem Gespräch mit Außenminister Walid al-Muallim erreicht. Auch die Rebellen kündigten an, sie würden die Sicherheit der Experten garantieren und die Kämpfe für die Zeit der Untersuchung einstellen.

Parallel dazu zeigte das Staatsfernsehen am Wochenende Bilder von zahlreichen dubiosen Kanistern und nagelneuen Gasmasken, die angeblich aus einem von Rebellen zurückeroberten Tunnel stammen. Mehrere Soldaten hätten bei ihrem Vormarsch Erstickungsanfälle erlitten, erklärte ein Sprecher.

Das syrische Regime sowie seine Verbündeten Iran und Russland warnten den Westen mit scharfen Worten vor einer Militäraktion. Syriens Informationsminister Omran al-Zoubi erklärte, dies würde nur noch mehr Gewalt in der Region auslösen. Ein Angriff auf Syrien werde kein Spaziergang, sagte er. „Die Hauptwirkung wird sein, dass der Feuerball nicht nur Syrien, sondern den gesamten Nahen Osten verschlingt.“ Der Kreml nannte einen möglichen Angriff des Westens „unakzeptabel“, der Iran drohte mit „harten Konsequenzen“. Ein russischer Abgeordneter zog Parallelen zwischen dem Einmarsch von George W. Bush im Irak 2003 und der heutigen Lage in Syrien und bezeichnete Obama als „einen Klon von Bush“.

Die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ berichtete, in drei von ihnen unterstützten Krankenhäusern im Großraum Damaskus seien letzten Mittwoch etwa 3600 Opfer mit „neurotoxischen Symptomen“ behandelt worden, von denen 355 gestorben seien. Einige der Ärzte und Schwestern entwickelten dabei die gleichen schweren Symptome, ein Mediziner starb – ebenfalls ein typisches Indiz für den Einsatz von Giftgas. Innerhalb von drei Stunden nach einer Offensive von Regierungstruppen seien Hunderte von Patienten eingeliefert worden, alle mit Atemproblemen, verengten Pupillen, Sehstörungen und schweren Krämpfen.

Deutsche UN-Mitarbeiterin vermittelt im Syrien-Konflikt

Angela Kane kennt in Deutschland kaum jemand. Dabei zählt die erfahrene, aber nüchterne Niedersächsin zu den wichtigsten Diplomaten der Vereinten Nationen. Mehr als die Hälfte ihres Lebens hat sie unter der hellblauen Flagge der UN verbracht und sich zu einer erfahrenen Krisenlöserin hochgearbeitet, auf die Generalsekretär Ban Ki Moon nicht verzichten mag. In Hameln wurde Kane 1948 geboren. Sie studierte in München, bei Philadelphia und in Washington. In der Zeit heiratete sie auch einen Amerikaner. Nach dem Studium arbeitete sie für die Weltbank, doch mit knapp 30 ging sie zu den Vereinten Nationen. Maßgeblich wirkte sie in der Politik-Abteilung, quasi dem UN-Außenministerium, an der Konfliktvermeidung und -lösung in „allen Weltregionen mit Ausnahme Afrikas“ mit. Afrika, das den größten Teil der Arbeit der Vereinten Nationen ausmacht, kannte sie schon als stellvertretende Sondergesandte des UN-Generalsekretärs für den UN-Einsatz in Äthiopien und Eritrea und aus ihrer Arbeit im Kongo. Auch in Indonesien und Thailand sammelte sie Erfahrung. 2008 wurde Kane oberste Managerin der UN mit der Verantwortung für den Haushalt und das Personalwesen, die Beschaffung und die Renovierung des UN-Hauptquartiers in New York. Der gewaltige Aufgabenbereich schien wie geschaffen für die nüchterne Norddeutsche, die sachlich und ohne viel Aufhebens an die Arbeit ging. Auch Journalisten schätzen Kane: Sie liefert keine Schlagzeilen, aber sachliche Informationen ohne Starallüren. Im Jahr 2012 ernannte Ban Kane zur Hohen Vertreterin des Generalsekretärs für Abrüstung. Sonst für Atomwaffensperrvertrag und Rüstungsbegrenzungsabkommen verantwortlich, kümmert sich Kane seit Monaten um den blutigen Konflikt in Syrien. In Damaskus war Kane in letzter Zeit öfter als in Deutschland. Text und FOTO: dpa

 
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