
Nach den Exzessen von Köln schlägt Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Ausländerpolitik ungewohnt konservative Töne an: Mit einer rigoroseren Abschiebepolitik will sie „ein klares Zeichen“ an alle Straftäter mit fremden Pässen setzen. Was vor dem Kölner Hauptbahnhof geschehen sei, wo in der Silvesternacht zahlreiche Frauen von offenbar ausländischen Männern sexuell belästigt und bestohlen worden waren, sei auch für sie persönlich „unerträglich“. Aus den Vorfällen dort ergäben sich nun „sehr ernsthafte Fragen, die über Köln hinausgehen“. Dazu gehört für die Kanzlerin nach eigenen Worten auch eine Prüfung der gegenwärtigen Praxis bei der Ausweisung und Abschiebung von kriminellen Ausländern.
„Alles muss auf den Prüfstand“
Bisher wird ein laufendes Asylverfahren erst eingestellt, wenn der Antragsteller zu einer Haftstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. „Wir werden darüber zu reden haben, ob das nicht geändert werden muss“, betonte Innenminister Thomas de Maiziere (CDU). „Wer schwere Straftaten begeht, muss damit rechnen, abgeschoben zu werden.“
Bei geringeren Strafen ist ein solcher Schritt zwar auch jetzt schon möglich, aber nicht zwingend vorgeschrieben. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), plädiert dafür, prinzipiell jeden ausländischen Straftäter auszuweisen, der zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden ist – unabhängig von deren Dauer. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte in Wildbad Kreuth, inzwischen erhärte sich, dass in Köln gewaltbereite Männergruppen mit Asylhintergrund beteiligt gewesen seien. Daher müsse „alles auf den Prüfstand, was die Abschiebung Straffälliggewordener behindert oder verzögert“. In Berlin müsse das „sofort diskutiert und umgesetzt werden“.
Justizminister Heiko Maas (SPD) will Flüchtlinge in Zukunft bereits bei einer Strafe von einem Jahr abschieben: „Ein solches Strafmaß ist grundsätzlich bei Sexualdelikten möglich.“ Ob Maas sich in seiner Partei mit dieser Linie durchsetzt, ist allerdings noch unklar.
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner hat den Vorschlag de Maizieres bereits abgelehnt: „Um organisierter Kriminalität, von wem auch immer, Herr zu werden, brauchen wir weder Änderungen am Grundrecht auf Asyl noch an der Genfer Flüchtlingskonvention.
Außer 121 Strafanzeigen, die bis zum Donnerstagmittag in Köln gestellt wurden, gibt es auch 70 in Hamburg. Hinweise auf einen Zusammenhang mit Köln seien bisher nicht bekannt, sagt die Polizei der Hansestadt. Die Frauen seien in allen Fällen sexuell belästigt worden, 23 von ihnen wurden auch bestohlen oder beraubt. In Stuttgart wurde nach sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht ein 20-jähriger Tatverdächtiger festgenommen. Er soll in einer Gruppe zwei 16- und 18-jährige Frauen sexuell genötigt haben. Auch in Düsseldorf gab es 15 ähnliche Strafanzeigen. In Dortmund erstatteten drei Frauen Anzeige, in Frankfurt vier.
Übergriffe in vielen Städten
Wie die Polizei mitteilte, sind auch zwei 19 und 20 Jahre alte Münchnerinnen in der Landeshauptstadt von einer Gruppe Männer bedrängt und beleidigt worden. Die Frauen hätten die Tat erst am Dienstagabend angezeigt, nachdem die Vorfälle aus Köln Schlagzeilen gemacht hätten, so die Polizei. Zehn bis 15 Männer hatten die beiden Disko-Besucherinnen nach deren Angabe vor einem Klub in der Innenstadt bedrängt, festgehalten und unsittlich berührt. Ausgeraubt wurden sie nicht. Angaben zu den Verdächtigen machte die Polizei nicht. Mit Informationen von dpa