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BERLIN
Wer zahlt für den Müll?
Christian Grimm
Christian Grimm
 |  aktualisiert: 26.08.2019 02:11 Uhr

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat überquellenden Müllkübeln in den Straßen den Kampf angesagt. Auch in ihrem zweiten Anlauf nimmt sich die SPD-Politikerin wieder die Verpackungsindustrie vor. Diese soll künftig für das Entleeren der Kübel und das Auffegen des Unrats mitzahlen. Bereits angekündigt hat Schulze, dass Einwegteller, -becher und -besteck aus Plastik bis 2021 verboten werden. Im gleichen Jahr werden die Hersteller zur Kasse gebeten, wenn der Plan der 50-Jährigen aufgeht.

Erst am Wochenende hatte die SPD-Frau eine Schlagzeile gesetzt mit ihrer Ankündigung, an einem Verbot von Plastiktüten zu arbeiten. Treffen wird es 2021 auch die Tabakindustrie, die für die ungezählten Kippenstummel auf Straßen, Bürgersteigen und Parks zahlen soll. „Das ist nicht nur eine Umweltfrage, sondern auch eine der Gerechtigkeit“, sagte Schulze am Montag in Berlin. Denn bisher zahlten dafür allein die Bürger.

Im Garten ihres Ministeriums hatte sie für die Vorstellung ihrer Initiative eigens zwei der für die Hauptstadt typischen orangenen Mülleimer aufgestellt und Kehricht vom nahegelegen Potsdamer Platz heranschaffen lassen. Die Ministerin stützt ihr Vorgehen gegen den Plastikmüll auf EU-Vorgaben, für die sie sich auf europäischer Ebene eingesetzt hatte.

Oberbürgermeister beklagt Ex-und-Hopp-Geschäftsmodelle

Unterstützung für ihre Politik bekommt sie von den Städten. „Wir sind diejenigen, die hinterherräumen“, sagte der Präsident des Verbandes der Kommunalen Unternehmen (VKU), Michael Ebling. Im Hauptberuf ist er Oberbürgermeister von Mainz und ebenfalls in der SPD. In seiner Stadt sei in den vergangenen fünf Jahren die Menge an Müll aus den öffentlichen Abfalleimern um 150 Tonnen gestiegen, sagte er. Manchmal sei ein Behälter zu zwei Dritteln durch Einwegverpackungen wie Zigarettenschachteln, Kaffeebecher oder Styroporschalen gefüllt. Der Bürgermeister beklagte „Ex-und-Hopp-Geschäftsmodelle“ und ließ wenig Zweifel, dass er diese angesichts der Berge an Plastikmüll für nicht mehr tragbar hält.

Ein Jahr lang sind jetzt Städte und Gemeinden gefragt

Deutschlandweit sollen jetzt die Abfallbetriebe der Städte und Gemeinden ihren Straßenmüll über ein Jahr lang untersuchen. Am Ende der Erhebung will der VKU Mittelwerte bilden und daraus ableiten, wie viel Geld der Mehraufwand durch Kippen und Einwegplastik kostet. Daraus soll dann ein Anteil errechnet werden, wie viel die Verpackungshersteller beisteuern müssen.

„Der Trend zu Wegwerfartikeln führt in manchen Städten zu einer regelrechten Müllflut. (…) Ich will, dass das aufhört“, sagte die Umweltministerin. Ein Blick in die Hauptstadt bestätigt ihre Klage. Fischte die Berliner Stadtreinigung 2008 noch 6200 Tonnen Abfall aus den Straßenpapierkörben, waren es zehn Jahre später schon 7500 Tonnen.

McDonalds und Burger King sollen außen vor bleiben

Genaue Daten, welche Mengen bundesweit in die Müllkübel wandern und wie viel Geld für Entleerung und Entsorgung ausgegeben wird, hatten weder Schulze noch Ebling. Sie wollten auch keine Hausnummer nennen, wie viel sie sich von den Verpackungsherstellern und der Tabakindustrie zurückholen wollen. Treffen wird es ihrem Ansatz nach keine Fast-Food-Ketten wie McDonalds und Burger King, die viel Müll produzieren. Sie heranzuziehen, sei rechtlich „viel zu kompliziert“, meinte Schulze.

Die Verpackungsindustrie jedenfalls würde durch die neue Abgabe ein zweites Mal belastet. Schon heute zahlt sie für alle Verpackungen einen Betrag an das Duale System für das Recycling des Verpackungsmülls aus den gelben oder orangenen Tonnen. Welche Summen da pro Jahr zusammenkommen, ist nicht öffentlich. Die Entsorger hüten diese Zahlen als Geschäftsgeheimnisse.

Bei der Müllproduktion liegt Deutschland ganz vorn

Dass Deutschland ein Müllproblem hat, ist jedoch alles andere als geheim. Pro Kopf produzieren die Deutschen, die sich gerne als Vorbild beim Umweltschutz sehen, so viel Abfall wie keine andere Nation in Europa. Sorgte jeder hierzulande im anno 2000 noch für im Schnitt 458 Kilogramm Hausmüll pro Jahr, waren es laut Umweltbundesamt 2016 schon 565 Kilogramm. Hinter dem Anstieg verbirgt sich, dass viel mehr Waren im Internet bestellt werden als früher. Außerdem lassen sich immer mehr Leute ihr Essen nach Hause liefern. Den Trend verstärkt haben zudem kleinere Packungen im Supermarkt.

 
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