Mindestens 180 Milliarden Euro und zehn bis 15 Jahre sind nötig, um Syrien nach dem Bürgerkrieg wieder aufzubauen. In Brüssel beraten EU und Vereinte Nationen seit Dienstag über die Zukunft des Landes. Doch Russland und der Iran sind längst weiter und sichern sich lukrative Aufträge.
Als die Weltbank 2017 erstmals das Ausmaß der Zerstörungen in Syrien aufzulisten versuchte, war jedes zweite Gebäude im Gesundheitssektor unbrauchbar oder völlig zerstört. Mehr als 30 Prozent aller Wohnhäuser bestanden aus Ruinen. Die Energieversorgung war um über 62 Prozent eingebrochen, 63 Prozent der Wasseraufbereitungsanlagen zerstört worden. Es waren diese Zahlen, die die Experten von 80 Delegationen von Staaten und internationalen Organisationen auf dem Tisch hatten, als sie am Dienstag in Brüssel zu einer weiteren Geberkonferenz zusammenkamen. Vor einem Jahr hatten 42 Regierungen insgesamt 5,6 Milliarden Euro in Aussicht gestellt, am Ende waren es sogar rund sieben Milliarden Euro. Deutschland steuerte mit 1,7 Milliarden Euro den größten Teil bei.
Doch über der Brüsseler Konferenz liegt ein Schatten. Denn der syrische Machthaber Baschar al-Assad bereitet ebenfalls die Nachkriegszeit vor. Zunächst von der Öffentlichkeit unbeachtet erließ er Anfang April ein Dekret, das bisherige Grundbesitzer verpflichtet, binnen 30 Tagen Eigentumsrechte nachzuweisen. Wie die rund 13 Millionen Flüchtlinge innerhalb und außerhalb des Landes diese Frist einhalten sollen, ist unklar. Mehr noch: Al-Assad will gar nicht, dass sie zurückkehren, um – so glauben Beobachter – die Liegenschaften an verdiente Militärangehörige und regierungstreue Vasallen zu verteilen.
Darüber hinaus spielt der Westen in der Rechnung des Diktators sowieso keine Rolle. Am vergangenen Wochenende kamen in Jalta auf der russisch annektierten Halbinsel Krim Vertreter Moskaus und Teherans mit syrischen Ministern zusammen. „Ein wichtiges Thema ist die Wiederherstellung der Infrastruktur. Das wird nicht weniger als 360 Milliarden Euro kosten“, zitierte der russische Duma-Abgeordnete Dmitri Sablin bei dem Treffen aus einer Botschaft Al-Assads. Außerdem machte der Machthaber in Damaskus klar, dass er westliche Öl- und Gasunternehmen nicht im Land sehen wolle: „Wir streben an, dass russische Unternehmen hier tätig werden und wir erwarten ihren schnellen Markteintritt.“ Angeblich wurden bei der Konferenz auch bereits erste lukrative Bauaufträge an russische und iranische Konzerne vergeben.