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LONDON
Wer vergiftete Kreml-Gegner Litwinenko?
Das Grab von Alexander Litwinenko in London: Die Ermordung des Kreml-Kritikers hielt 2006 die Welt in Atem. London rollt den Fall nun neu auf.
Foto: Christoph Driessen, dpa | Das Grab von Alexander Litwinenko in London: Die Ermordung des Kreml-Kritikers hielt 2006 die Welt in Atem. London rollt den Fall nun neu auf.
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 |  aktualisiert: 24.05.2022 09:40 Uhr

Eine am Donnerstag in London begonnene öffentliche Untersuchung soll klären, wer hinter dem Giftmord an dem russischen Ex-Agenten Alexander Litwinenko steckt. Der Richter will dabei vor allem auch herausfinden, welche Rolle Russland in dem aufsehenerregenden Fall gespielt hat.

Es war ein Spionage-Thriller in Echtzeit, der die Welt wochenlang in Atem hielt. Ein ehemaliger russischer KGB-Agent trifft sich am 1. November 2006 mit zwei Landsmännern im Londoner Luxushotel Millennium und trinkt eine Tasse Tee. Kurz darauf leidet er unter einer rätselhaften Krankheit, kommt in eine Klinik, die Ärzte in der britischen Hauptstadt versuchen die Ursache für seinen täglich schlechter werdenden Zustand herauszufinden. Erst spät, zu spät, wissen sie, dass Alexander Litwinenko mit radioaktivem Polonium 210 vergiftet wurde. Der 43-jährige Regierungskritiker ist sich dagegen von Anfang an sicher, dass er einem Giftanschlag zum Opfer gefallen ist. „Die Bastarde haben mich erwischt“, der Kreml habe ihn zum Schweigen gebracht, sagt er in einem Interview vom Krankenbett aus, abgemagert, haarlos und umgeben von Schläuchen. Kurz darauf stirbt er.

Verschwörungstheorien

In den Wochen danach geisterten zahlreiche Verschwörungstheorien durch die Medien, vor allem der russische Präsident Wladimir Putin geriet ins Blickfeld. Schließlich war erst kürzlich die Menschenrechtsaktivistin und Putin-Kritikerin Anna Politkowskaja erschossen worden. Tötete der Kreml wirklich seine Kritiker?

Dieser Frage wird seit Donnerstag, fast acht Jahre nach dem Mord in London, in einer öffentlichen Untersuchung nachgegangen. Marina Litwinenko, die Witwe des Ermordeten, hatte jahrelang dafür gekämpft und ist bis vor das höchste britische Gericht gezogen. Doch erst in der vergangenen Woche gab Innenministerin Theresa May bekannt, dass der aufsehenerregende Fall neu aufgerollt wird.

Ist es Zufall, dass der Sinneswandel fünf Tage nach dem Flugzeugunglück in der Ostukraine, bei dem auch zehn Briten starben, verkündet wurde? Downing Street sagt ja.

Die Beziehungen zwischen London und Moskau sind nicht erst seit dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine angespannt. Schon damals hatte der Tod von Litwinenko das Verhältnis schwer belastet. So wurden vier Diplomaten der russischen Botschaft in der britischen Hauptstadt ausgewiesen, da Russland die Auslieferung von Andrey Lugowoi verweigerte. Der Geschäftsmann und Ex-Agent galt als Hauptverdächtiger für die Ermittler von Scotland Yard, ihn und einen weiteren Geschäftspartner hatte Litwinenko zum Tee im Hotel getroffen. Lugowoi war ebenfalls verstrahlt und wurde in Moskau behandelt. Er wiederum beschuldigte den mittlerweile verstorbenen Oligarchen Boris Beresowski, der im Londoner Exil lebte und als Intimfeind von Putin galt.

Auswertung geheimer Unterlagen

In einer anderen Version von Lugowoi machte er den britischen Auslandsgeheimdienst MI6 verantwortlich für den Tod von Litwinenko, der im Jahr 2000 ins Vereinigte Königreich übergesiedelt war. Für diesen soll der Ex-Agent laut Lugowoi gearbeitet haben.

Zum Auftakt der öffentlichen Untersuchung, die voraussichtlich bis 2015 andauern wird, sagte der Richter Robert Owen, dass Russlands Rolle bei dem Giftmord wichtig und ein Schwerpunkt seiner Arbeit sein werde. Das Verfahren erlaube es, als geheim eingestufte Unterlagen auszuwerten und hinter verschlossenen Türen Zeugen zu vernehmen.

Marina Litwinenko, die glaubt, der russische Staat habe ihren Mann umbringen lassen, war am Donnerstag ebenfalls im Londoner Gerichtsgebäude anwesend. Sie zeigte sich zufrieden. „Alle, überall auf der Welt, werden die Wahrheit erfahren.“

Britisch-russisches Verhältnis

Die Beziehungen zwischen London und Moskau gelten seit Jahren als angespannt. Die Affäre um den Giftmord an dem Kreml-Kritiker Alexander Litwinenko im November 2006 führte zu einem Tiefpunkt in den Beziehungen. Acht Monate nach dem Tod des Ex-Geheimdienstlers wies Großbritannien vier Diplomaten der russischen Botschaft in London aus. Die Briten reagierten damit auf die Entscheidung Russlands, den des Mordes an Litwinenko verdächtigten Andrej Lugowoi nicht an Großbritannien auszuliefern. Moskau verwies im Gegenzug vier britische Botschaftsangehörige des Landes. Russland und Großbritannien stellten Diplomaten und offiziellen Vertretern ihres Landes kurzzeitig keine Visa mehr aus. Zudem wurde die Zusammenarbeit beim Kampf gegen den Terrorismus aufgekündigt. Moskau ließ außerdem zwei Regionalbüros des Kultur- und Bildungsinstituts British Council in Russland schließen. Im Juni 2010 vereinbarten der britische Premier David Cameron und der damalige Kremlchef Dmitri Medwedew bei einem Treffen einen Neustart in den Beziehungen. Die Differenzen im Fall Litwinenko blieben aber bestehen. Text: dpa

 
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