Die Fluchtroute von der Türkei nach Griechenland wird am kommenden Sonntag um Mitternacht geschlossen. Das ist das wohl wichtigste Ergebnis der Vereinbarung, auf die sich die EU-Staats- und Regierungschefs mit ihrem türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoglu am Freitag verständigt haben. Wie der Deal mit Ankara im Detail funktioniert, zeigen die Ergebnisse dieses EU-Gipfels:
Alle Flüchtlinge, die ab kommenden Sonntag nach Mitternacht in Griechenland ankommen, werden in die Türkei zurückgebracht. Dennoch soll es keine „kollektive Abschiebung“ geben. Auf hellenischem Boden werden Aufnahmezentren entstehen, um jeden Einzelfall zu prüfen. Wer Aussicht auf Asyl hat, kann später von der Türkei aus in die EU direkt reisen. Um diese Arbeit zu bewältigen, stellen die Mitgliedstaaten Athen rund 4000 Grenzschutz- und Asyl-Spezialisten zur Verfügung. Im Gegenzug erklären sich die EU-Staaten bereit, maximal 72 000 syrische Hilfesuchende direkt von der Türkei aus nach Europa reisen zu lassen. Sie werden dort auf alle Mitgliedstaaten verteilt – auf Deutschland kämen so vermutlich rund 15 000 zusätzliche Flüchtlinge zu.
Für die Betreuung der Flüchtlinge in der Türkei stellt die EU in mehreren Schritten bis Ende 2017 drei Milliarden Euro zur Verfügung. Eine Milliarde stammt aus dem Haushalt der Gemeinschaft, zwei Milliarden steuern die Mitgliedstaaten bei. Deutschland trägt davon 427 Millionen. Im Jahr 2018 unterstützt die EU Ankara noch einmal mit drei Milliarden Euro. Auch daran ist die Bundesrepublik beteiligt, deren Last sich somit auf insgesamt 700 Millionen bis maximal eine Milliarde Euro erhöht.
Die Türkei erklärt sich bereit, die internationalen Standards (zum Beispiel die Genfer Flüchtlingskonvention) einzuhalten. Das heißt, sie verzichtet auf die Abschiebung der Menschen in ihre Herkunftsländer, wenn deren Leben dort bedroht ist. Ankara wird aber mit weiteren Herkunftsstaaten Verhandlungen führen, um eine Rückführung der Asylbewerber in deren Heimat zu erreichen.
Wie von Ankara gefordert, eröffnet die EU fünf neue Themenbereiche (Kapitel), um den Verhandlungen für eine Aufnahme der Türkei in die Union neuen Schwung zu geben. Dabei sollen aber jene Bereiche ausgeklammert werden, die Zypern und seinen Status betreffen. Der südliche Teil der Mittelmeer-Insel gehört zur EU, der nördliche ist von türkischen Truppen besetzt. Auch wenn die Beitrittsgespräche nun forciert werden, gibt es keine Zusage für eine Vollmitgliedschaft.
Die Türkei legt allergrößten Wert auf die visafreie Einreise in die EU ab Ende Juni 2016. Von Seiten der Gemeinschaft wird dazu nun alles vorbereitet. Im April prüft die EU-Kommission, ob Ankara die Voraussetzungen dafür geschaffen hat. Von 72 Kriterien wie biometrischer Ausweis oder Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden sind bisher 35 erfüllt. Nur wenn die Türkei alle Bedingungen auch garantiert, wird diese Einreise auch gewährt.