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BERLIN
Wer künftig in Deutschland arbeiten darf
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 02.04.2019 11:07 Uhr

Es ist ziemlich genau 17 Jahre her. Am 4. Juli 2001 präsentierten der damalige Bundesinnenminister Otto Schily von der SPD und die beiden Vorsitzenden der von ihm eingesetzten „Unabhängigen Kommission Zuwanderung“, die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth von der CDU und der einstige SPD-Partei- und Fraktionschef Hans-Jochen Vogel, den Abschlussbericht mit ihren Empfehlungen. „Noch nie“, so schwärmte Süssmuth damals, habe es so viele Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien in Fragen der Zuwanderung gegeben. Man sei sich einig, dass Zuwanderung angesichts des demografischen Wandels dringend nötig sei, damit Deutschland auf Dauer seinen Bedarf an Arbeitskräften und somit auch an Beitragszahlern für die sozialen Sicherungssysteme decken könne. „Lasst uns jetzt die Chance nutzen“, sagte sie.

Die Süssmuth-Kommission legte eine Reihe von Empfehlungen vor

In ihrer gut neunmonatigen Arbeit hatte sich die hochrangig besetzte „Süssmuth-Kommission“ im Konsens auf eine Reihe von Empfehlungen geeinigt. Deutschland solle zunächst pro Jahr mindestens 50 000 Einwanderer aus Nicht-EU-Staaten aufnehmen. 20 000 sollten nach einem Punktesystem nach dem Vorbild Kanadas ausgewählt werden, das unter anderem das Alter, die Berufsbildung und die Sprachkenntnisse der Bewerber berücksichtige, weitere 20 000 Menschen sollten Branchen mit Fachkräftemangel direkt anwerben dürfen und 10 000 junge Menschen sollten nach Deutschland einwandern dürfen, um hier eine Berufsausbildung zu machen.

Jedoch: In all den Jahren danach ist nichts geschehen. Beharrlich weigerte sich die Union, die Arbeit an einem derartigen Einwanderungsgesetz aufzunehmen, auch ein Vorstoß des früheren CDU-Generalsekretärs Peter Tauber in der letzten Legislaturperiode lief ins Leere. Nun aber unternehmen CDU/CSU und SPD einen neuen Anlauf, um ein Einwanderungsgesetz zu verabschieden, um die legale Zuwanderung in den Arbeitsmarkt zu lenken und zu begrenzen.

Nach der Sommerpause will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erste Eckpunkte vorlegen, bis spätestens zum Jahresende soll der Gesetzentwurf vom Kabinett beschlossen werden, damit sich dann im neuen Jahr der Bundestag mit der Vorlage beschäftigt und das Gesetz im Frühjahr verabschieden kann.

Bei ihrer traditionellen Sommerpressekonferenz am vergangenen Freitag nannte Bundeskanzlerin Angela Merkel das Vorhaben ein „zentrales Projekt“ der Großen Koalition. Einerseits gehe es um die Anwerbung von Arbeitskräften im Ausland für Branchen mit Fachkräftemangel, andererseits aber auch um die „Ordnung und Steuerung der Migration“.

Wie das geschehen soll, ist noch offen, gleichwohl zeichnen sich erste Konturen ab. Ein Punktesystem, wie es einst die „Süssmuth-Kommission“ vorgeschlagen hat, wird es wahrscheinlich nicht geben. Denn auch die Punkte garantieren nicht, dass der Zuwanderer danach tatsächlich in Deutschland einen Arbeitsplatz findet – oder im Sozialsystem landet. Vielmehr soll nur einreisen dürfen, wer bereits einen Arbeitsvertrag mit einem deutschen Unternehmen vorweisen kann.

Als Vorbild nannte Merkel die Regelung, die Deutschland mit den Staaten des westlichen Balkans getroffen hat. Einerseits wurden diese Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt, was es praktisch unmöglich macht, bei der Einreise in die Bundesrepublik einen Antrag auf politisches Asyl zu stellen und während dieser Zeit einen Job zu suchen. Andererseits wurde die Möglichkeit geschaffen, dass die Menschen sich in ihren Heimatländern um einen Job in Deutschland bemühen können. Vor Ort gibt es spezielle Zentren, die über offene Stellen informieren. Liegt ein vom Arbeitgeber unterschriebener Arbeitsvertrag vor, stellt die deutsche Botschaft ein Visum aus, womit legal eingereist werden kann.

Im Gegensatz zur sogenannten „Blue Card“, die ausschließlich für Hochschulabsolventen gilt und an ein Mindesteinkommen von 52 000 Euro im Jahr (bei Mangelberufen 40 560 Euro) gekoppelt ist, haben über diese Regelung auch Handwerker oder gar Geringqualifizierte die Möglichkeit auf eine legale Einreise.

Westbalkan-Regelung als Basis für ein Einwanderungsgesetz

Im vergangenen Jahr wurden 37 427 Arbeits-Visa für Frauen und Männer aus den Westbalkan-Ländern ausgestellt, mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor, als es rund 16 500 waren. Vor wenigen Tagen erst hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgeschlagen, gezielt Pflegekräfte aus den Ländern des Balkans und Osteuropas anzuwerben, um die Personalprobleme bei der häuslichen und stationären Pflege zu lösen. Die Innenexperten von CDU und CSU sind nach Informationen dieser Redaktion bereit, die Westbalkan-Regelung als Basis eines Einwanderungsgesetzes herzunehmen, wenn gleichzeitig sichergestellt sei, „dass wir die Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten strikt begrenzen“, wie ein führender Unions-Innenpolitiker sagt.

Die SPD hat sich noch nicht positioniert, tendiert aber zu einer nicht ganz so strikten Regelung, wie jüngste Äußerungen nahelegen. So plädierte Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) dafür, dass Pflegekräfte aus dem Ausland auch ohne Vorliegen eines Arbeitsvertrags ein sechsmonatiges Visum erhalten könnten, um in dieser Zeit einen Job in Deutschland zu suchen.

Und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil deutete im Interview mit dieser Redaktion an, mithilfe des Einwanderungsgesetzes auch eine Brücke zu bauen für diejenigen, die das Land verlassen müssten, weil ihr Asylantrag abgelehnt wurde, die aber schon seit längerem in Deutschland leben, einen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung hätten und gut integriert seien. An diesem Punkt dürfte es noch heftige Auseinandersetzungen zwischen CDU/CSU und SPD geben, bis das Einwanderungsgesetz steht.

 
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