Der Skandal um Pferdefleisch, das als Rind deklariert wurde, hat in Supermärkten in Irland und Großbritannien seinen Lauf genommen. Die Handelswege sind weit verzweigt und führen in verschiedene europäische Länder.
Mitte Januar entdeckten irische Lebensmittelinspekteure bei Routinekontrollen zunächst Spuren von Pferdefleisch in Rindfleisch-Hamburgern. Es ging um Fertigprodukte der britischen Supermarktketten Tesco, Iceland, Aldi (UK) und Lidl (UK). Anfang Februar wurde in einer Fertigungsanlage und in einem Fleischlager in Irland weiteres Rindfleisch mit Pferdefleischspuren entdeckt. Daraufhin ordnete die britische Lebensmittelaufsicht umfangreiche Untersuchungen an. In der Folge wurden mit Pferdefleisch versetzte Rindfleischprodukte auch in Frankreich und Schweden entdeckt. In Deutschland gibt es nach Angaben des Verbraucherschutzministeriums keine Hinweise auf Produkte mit falsch deklariertem Pferdefleisch.
Es geht um Tiefkühl-Fertigkost aus Hackfleisch, die größtenteils bei Discountern verkauft wird, darunter Rindfleisch-Lasagne, Spaghetti Bolognese und fertige Hamburger-Frikadellen. In den Produkten wurden teilweise zwischen 30 und 100 Prozent Pferdefleisch gefunden.
Laut britischen Medienberichten handelt es sich um eine kriminelle „Pferdemafia“ in Rumänien. Das Fleisch wird demnach vor Ort verarbeitet und an französische Fleischverarbeitungsfirmen exportiert, die es nach Firmenangaben ohne Wissen darüber, dass es sich eigentlich um etwas anderes handelt, als Rindfleisch verarbeitet haben. Rumäniens Ministerpräsident Victor Ponta hat dagegen die Schuldigen in Frankreich ausgemacht.
Es geht um den Tiefkühlhersteller Findus in Großbritannien (der nichts (mehr) mit Nestlé zu tun hat, auch wenn der Konzern eine gleichnamige Tochterfirma in der Schweiz hat). Er vertreibt Fertigkost der französischen Firma Comigel, die wiederum einen Teil ihres zu verarbeitenden Fleischs aus Rumänien bezieht und damit bei der luxemburgischen Firma Tavola produzieren lässt. Comigel gibt an, das Fleisch vom französischen Lieferanten Spanghero bezogen zu haben. Dieser weist wiederum auf einen rumänischen Zulieferer hin. Eine weitere Spur führt laut französischen Regierungsangaben vom französischen Hersteller Poujol zu einem Händler nach Zypern.
Die britischen Behörden sehen keine unmittelbare gesundheitliche Gefahr durch den Verzehr von Pferdefleisch. Das Fleisch kann jedoch unter Umständen Spuren von Medikamenten enthalten. Es wird auf Rückstände von Phenylbutazon getestet. Erste Testresultate sollen in den nächsten Tagen vorliegen. Phenylbutazon wird häufig bei Pferden therapeutisch angewendet, teilweise auch als Dopingmittel im Pferdesport. In der Medizin ist es ein Medikament gegen Rheuma.
In Großbritannien wurde Rindfleisch nach Angaben der Lebensmittelaufsichtsbehörde FSA in den vergangenen zehn Jahren nicht routinemäßig auf Pferdefleischspuren getestet.
Die Firmen haben die fraglichen Produkte sofort aus dem Handel genommen. Einige Supermarktketten, darunter Iceland und Lidl (UK), haben eigene Untersuchungen angeordnet. Die Supermarktkette Tesco will eigene DNA-Tests einführen und die Zusammenarbeit mit ihrem Lieferanten Silvercrest einstellen.
Bislang warten die britischen Behörden die Ergebnisse umfangreicher Tests von Fleischprodukten ab. Obwohl der britische Umweltminister eine kriminelle Verschwörung vermutet, hat die Polizei zunächst keine Ermittlungen eingeleitet.
Die Behörden in Frankreich und anderen EU-Staaten wissen bisher nicht, seit wann und in welchem Umfang Pferdefleisch als Rindfleisch verkauft wurde. „Das kann man nur sehr schwer feststellen“, sagte der Leiter der luxemburgischen Veterinärinspektion, Felix Wildschütz, am Montag der Nachrichtenagentur dpa. Vor allem in Frankreich suchten die Behörden ältere Lagerbestände von Tiefkühlkost, um Proben zu entnehmen und auch die möglicherweise verwendeten Mengen von Pferdefleisch abschätzen zu können.