Vielleicht ist es wichtig, sich für den Ernstfall Pläne bereitzulegen. So ging es zumindest den Piloten in Neuburg im Jahr 2001, als zum ersten Mal in der westlichen Welt Passagierflugzeuge als fliegende Bomben von Terroristen missbraucht wurden. Die Folgen sind bekannt und läuteten ein Zeitalter neuer Terrorgefahren ein. Manfred Dittenhofers aktive Zeit war damals gerade vorbei, als die Anschläge in New York das World Trade Center in ein Trümmerfeld verwandelten.
Er war unter anderem Pilot beim Taktischen Luftwaffengeschwader 74, das in Neuburg an der Donau stationiert ist. Jenes Geschwader, das neben der Taktischen Luftwaffengruppe „Richthofen“ im niedersächsischen Wittmund eine Alarmrotte stellt, die bei untypischem Flugverhalten innerhalb von 15 Minuten in der Luft ist. Nach den Anschlägen in den USA haben sich die Piloten ihren eigenen Plan zurechtgelegt, berichtet Dittenhofer. Jeder für sich, weil auch jeder über seinen Einsatz hinaus von der Entscheidung betroffen gewesen wäre, beschreibt der ehemalige Oberstleutnant die Situation auf dem Flugplatz. Sein Plan hätte anders ausgesehen, als jener, den der Pilot Lars Koch im ARD-Film und in den Theaterstücken des Autors Ferdinand von Schirach getroffen hat. Dittenhofer hätte nicht geschossen.
Die Piloten zweifelten damals an der Rechtmäßigkeit eines Abschussbefehls. Verständlicherweise, wie die politische Diskussion im Anschluss zeigte. Erst 2005 hat die Bundesregierung das Luftsicherheitsgesetz verabschiedet, das nur ein Jahr später vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde. In Kurzfassung spiegelt das die Ausgangssituation des „Terror“-Stücks wider, in dem Koch seine Entscheidung in der Luft trifft: 164 Menschen mit einem gezielten Abschuss zu opfern, um Zehntausende vor einem Attentat zu retten.
Nach der Fernsehausstrahlung bekräftigte der ehemalige CDU-Verteidigungsminister Franz Josef Jung, in dessen Zeit das Luftsicherheitsgesetz fiel, dass aus seiner Sicht der Pilot in der fiktiven Geschichte richtig gehandelt habe, ja dass er ihn sogar als oberster Vorgesetzter mit einem Schießbefehl unterstützt hätte. Trotz geltenden Rechts.
Das Dilemma wird derzeit breit diskutiert. Nur wie würden sich die Alarmrotten in Neuburg und Wittmund im Ernstfall verhalten? Luftwaffen-Major Christian Schneider erklärt als Pressestabsoffizier ganz nüchtern die Situation, der sich die Piloten in Bayern und Niedersachsen im Fall der Fälle stellen müssen. Sobald der Alarmfall ausgelöst wird, sind entweder zwei Eurofighter aus Neuburg oder zwei aus Wittmund innerhalb von 15 Minuten in der Luft.
Dabei lasse sich Deutschland nicht einfach in Süd und Nord aufteilen, um das Einsatzgebiet abzustecken. Faktoren wie die Reisegeschwindigkeit des entführten Flugzeugs, Höhe und Geoverhältnisse seien ausschlaggebend, erklärt Major Schneider. Er nennt als Beispiel ein Gewitter in Franken, das dazu führen kann, dass die Eurofighter aus Wittmund nach Süddeutschland geschickt werden.
Sechs Mal ist die Alarmrotte in den vergangenen fünf Jahren ausgerückt: wegen Pilotenfehlern, randalierenden Fluggästen und technischen Fehlern. Die Kampfjets erreichen in einem Umkreis von 500 Kilometern mit Überschall alle Punkte in „einer guten halben Stunde“, erklärt der Pressestabsoffizier. Erst wird versucht, Kontakt mit dem Cockpit herzustellen, dann Warnschüsse abgegeben. Mehr passiert nicht. Den Piloten sind rechtlich die Hände gebunden. Ab diesem Zeitpunkt wären sie nur noch Begleiter.
Im Verteidigungsausschuss des Bundestags ist das Thema vom Tisch. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl spricht von einem eindeutigen Urteil des Verfassungsgerichts. Allerdings sei die juristische Frage vom moralischen Urteil zu trennen, das man über einen Menschen trifft, der in einer Extremsituation handelt.