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Weltklimarat drängt zum Handeln
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 02.04.2019 12:34 Uhr

Es ist das Ende einer Ära. Jahrhundertelang wurde im Ruhrgebiet Steinkohle abgebaut, ohne den heimischen Energieträger wäre Deutschland im 19. Jahrhundert nicht zur führenden Industriemacht aufgestiegen. Doch Ende des Jahres ist Schicht im Schacht. Die beiden letzten Zechen in Bottrop und in Ibbenbüren stellen die Kohleförderung ein.

Mit dem Klimaschutz hat das allerdings nichts zu tun, vielmehr laufen in diesem Jahr die staatlichen Subventionen für die heimische Steinkohle aus. In den großen Kohlekraftwerken werden auch in Zukunft die deutlich billigere Importkohle sowie die Braunkohle aus den Tagebauen in Nordrhein-Westfalen, in der Lausitz und in Mitteldeutschland verfeuert, um Strom zu gewinnen. Zwar ist durch den Ausbau der erneuerbaren Energien, die mittlerweile für 33,1 Prozent des Stroms sorgen, der Anteil der Kohle am Strommix gesunken, doch noch immer werden 37,2 Prozent des Stroms aus Braun- und Steinkohle gewonnen. Aber wie lange noch?

In Deutschland ist die Debatte um die Zukunft der Kohle voll entbrannt, wie der Streit um die vor wenigen Tagen gerichtlich gestoppte Rodung des Hambacher Forsts belegt. Zudem beschäftigt sich seit kurzem eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission mit einem sozial verträglichen Kohleausstieg. Doch der Sonderbericht des Uno-Weltklimarates, der im südkoreanischen Incheon veröffentlicht wurde, dürfte die Diskussionen weiter verschärfen, gibt er doch den Anhängern eines möglichst raschen Kohleausstiegs neue Munition.

Um den Anstieg der Erwärmung der Erde auf eineinhalb Grad im Vergleich zum Beginn des Industriezeitalters zu begrenzen, seien „schnelle, weitreichende und beispiellose Änderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen“ wie der Energieerzeugung, der Landnutzung, dem Städtebau, im Verkehrs- und Bausektor sowie der industriellen Produktion nötig, schrieben die Forscher. So müssten bis zum Jahr 2030 die CO2-Emissionen im Vergleich zum Jahr 2010 um 45 Prozent sinken – und bis zum Jahr 2050 dürfte weltweit in der Summe kein Kohlendioxid mehr ausgestoßen werden. Ein ambitioniertes Ziel, derzeit werden pro Jahr rund 41 Milliarden Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen.

Die Grünen und Umweltverbände fühlten sich unverzüglich nach Veröffentlichung des Berichts des Weltklimarats in ihrer Forderung nach einem raschen Kohleausstieg bestätigt. „Mit einem ,Wir-schauen-mal-ein-bisschen‘ und Selbstverpflichtungen der Industrie kommen wir nicht weiter“, sagte die Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestags, die Karlsruher Grünen-Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl. „Wir müssen radikale Maßnahmen in der Klimapolitik ergreifen. Der Kohleausstieg ist überfällig.“ Auch in den Bereichen Verkehr und Landwirtschaft müsse es eine CO2-Reduktion geben. Nach Ansicht der Umweltorganisation Greenpeace gebe es für ein reiches Industrieland wie Deutschland keine Entschuldigung, „seine CO2-Bilanz weiterhin mit alten, schmutzigen Kohlekraftwerken zu ruinieren“. Der massive Widerstand vieler Menschen gegen die Rodung des Hambacher Forstes zeige, „dass viele Menschen beim Schutz des Klimas längst weiter sind als die Politik“, so Greenpeace-Aktivist Benjamin Stephan.

Die Klimaschutz-Beauftragte der CDU/CSU-Fraktion und Schweinfurter Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber (CSU), räumte gegenüber dieser Redaktion zwar ein, dass die Kohle zur Erreichung der nationalen Klimaziele „einen nennenswerten Beitrag“ leisten müsse, dennoch müsse die Politik „den Menschen in den betroffenen Gebieten neue Perspektiven aufzeigen“. Die von der Regierung eingesetzte Kommission werde „einen Plan zur schrittweisen Reduzierung der Kohleverstromung inklusive eines Abschlussdatums erarbeiten“, dabei stehe für die Union im Vordergrund, den Strukturwandel zu gestalten und die betroffenen Regionen dabei zu unterstützen. Deutschland alleine könne das Weltklima jedoch nicht retten, so Weisgerber. „Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen, wir brauchen aber auch die anderen Staaten der Welt.“

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hoben in einer Erklärung die Notwendigkeit eigener stärkerer Anstrengungen hervor. „Wir dürfen beim Klimaschutz keine Zeit mehr verlieren“. Deutschland müsse den „Abschied von Kohle, Öl und Gas hinbekommen“, jede vermiedene Tonne CO2 und jedes vermiedene Zehntelgrad Erderwärmung zähle, schrieben sie, ohne allerdings konkrete Maßnahmen zu nennen.

 
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