Ein fliehender Papst, ein Reformator im Gefängnis, hochrangige Gäste aus Adel und Klerus – es wurde diskutiert, gestritten und um Reformen gerungen, denn das christliche Abendland war damals tief gespalten. Das Konstanzer Konzil von 1414 bis 1418 war ein Weltereignis. Es muss ein unglaubliches Spektakel gewesen sein. „Es war der spannendste Ort Europas“, sagt Historikerin Ruth Bader, Geschäftsführerin der Konzilstadt Konstanz.
Im Spätherbst des Jahres 1414 versammelten sich am See 29 Kardinäle, 300 Bischöfe, eine große Zahl Vertreter deutscher Universitäten, dazu etwa 600 bis 700 in- und ausländische Fürsten mit ihrem zahlreichen Gefolge. Konstanz war, so gesehen, der Schauplatz des größten europäischen Kongresses des Mittelalters – der der Stadt am Bodensee einen Haufen Schulden hinterließ.
Geistliche und weltliche Würdenträger rangen damals um ein Ende der Kirchenspaltung, 1417 wurde ein neuer Papst gewählt. „Über die ganze Erde erging der Name von Konstanz, und dieser Name wurde auf der ganzen Welt verbreitet“, schrieb der Chronist des Konzils, Ulrich Richental. Im Laufe des Konzils soll die Stadt, die damals 6000 Einwohner zählte, mehr als 72 000 Fremde beherbergt haben. Allein 2000 Handwerker waren nach Konstanz gekommen, um hier ihre Geschäfte zu machen. Mehr als 700 offizielle Dirnen hatten sich ebenfalls zum Kongress eingefunden: Anlass für die moralische Schelte von Jan Hus, der ebenfalls im Spätherbst in Konstanz eintraf.
Der Prager Reformer, der Häresie gescholten, hatte das Ehrenwort König Sigismunds, dass ihm nichts geschehen werde. Drei Wochen lang konnte er sich ohne größere Einschränkungen in der Stadt bewegen. Dann wurde er, noch vor Ankunft des Königs, verhaftet. Johannes XXIII., der von Rom angereist war, wies jede Schuld von sich, ebenso der König. Der Papst verwies auf die Kardinäle. Die waren nicht bereit, Hus freizulassen. Sigismund drohte mit Abreise. Als auch das nicht wirkte, wurde er weich.
Sigismund hatte eine Mission. Er wollte in Konstanz das Große Abendländische Schisma beenden. Das war eine unendliche Geschichte: 1378 erhoben zwei Päpste den Anspruch auf den Stuhl Petri, einer saß in Rom – Papst Benedikt XIII. –, der andere im südfranzösischen Avignon – Gregor XII. Um den Streit beizulegen, trat 1409 das Konzil zu Pisa zusammen. Weil sich keiner der amtierenden Päpste dort blicken ließ, kam die Versammlung auf die Idee, ein neues Kirchenoberhaupt zu wählen, und die beiden anderen abzusetzen, was die aber nicht akzeptierten. Also gab es plötzlich drei Päpste. Gewählt wurde der Franziskaner Peter Filarghi aus Candia als Alexander V. An die Stelle des „verruchten Dualismus“ war nun eine „verfluchte Dreiheit“ getreten. Der erste Versuch, die Einheit der Kirche auf dem Konzilsweg wiederherzustellen, endete in einem Fiasko.
Dass das Ende der Kirchenspaltung dennoch gefeiert werden konnte, war das Verdienst von König Sigismund. Ihm wird in der Konzilsfrage erstaunliches Geschick nachgesagt. Mit der neutralen Politik seines Vorgängers brechend, schloss er sich Papst Johannes XXIII. an, dem umstrittenen Nachfolger von Alexander V., und rang ihm die Zustimmung zu einem neuen Kongress ab. Johannes berief das Konzil ein. Offenbar betrachtete er es als Fortsetzung des Pisanums. Er hoffte, von ihm die Bestätigung im Amt zu erhalten. Sein Traum platzte schneller als gedacht.
Schon bald im neuen Jahr 1415 wurden aus der Mitte des Konzils erste Anklagen gegen Johannes XXIII. erhoben, dessen Lebenswandel zu wünschen übrig ließ. Schriftlich bot er seinen Rücktritt an. Doch er beging Wortbruch und floh. Die Flucht bekam ihm nicht. Er wurde schnell aufgegriffen, am 29. Mai 1415 als Papst abgesetzt und mit einer Kerkerhaft belegt. Um diesen Prozess zu ermöglichen, verabschiedete das Konzil das Dekret „Haec sancta“ (diese heilige Synode), in dem – auf dem Papier – die Oberhoheit des Konzils über den Papst verkündet wurde. So gesehen war Johannes – im Übrigen der Einzige von den drei Päpsten, der nach Konstanz kam – das erste Opfer des Konzils. Aber der Entmachtete durfte weiterleben. Im Unterschied zu Hus, dem die Versammlung den Prozess machte und der am 6. Juli 1415 zum Tode verurteilt wurde. Er endete auf dem Scheiterhaufen. Hieronymus von Prag, sein Schüler, starb ein Jahr später.
Das Konzil beendete am 11. November 1417 mit der Wahl Martins V. das mehr als 30 Jahre währende Große Abendländische Schisma. König Sigismund hatte erreicht, dass Gregor XII. resignierte und Benedikt XIII. abgesetzt werden konnte.
Der drohende Zerfall der Kirche konnte abgewendet werden. Damit war aber nur ein Ziel erreicht. Die beiden anderen Ordnungspunkte, die sich das Konzil gesetzt hatte – die Klärung der kirchlichen Verkündigung und Sakramentslehre, um damit die Ketzerei besser bekämpfen zu können – sowie innerkirchliche Reformen wurden auf die lange Bank geschoben. Hätten sich, wie in Konstanz beschlossen, die Allgemeinen Konzilien zu einer ständigen Einrichtung entwickelt, so wäre das Dekret „Haec sancta“ zum Zuge gekommen, und es hätte sich eine Kontrollinstanz über das Papsttum etablieren können.
Die unendliche Geschichte ging für die Kirche nicht glücklich aus: Der Tod der böhmischen Märtyrer Hus und Hieronymus stürzte einen Teil der europäischen Welt ins Unglück. Mehr als zwei Jahrzehnte sollten die Hussitenkriege dauern, bis König Sigismund, bald Kaiser, sie als beendet ansehen konnte. Und der protestantische Weg, den Luther und seine Anhänger einschlugen, führte am Ende zur Abspaltung von der römisch-katholischen Kirche. Mit Infos von dpa
Besuch in Konstanz
Konzilsgebäude: Die Landesausstellung „Das Große Konzil. Weltereignis des Mittelalter 1414 – 1418“ ist am Originalschauplatz bis zum 21. September zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Freitag bis 21 Uhr (Katalog 29,90 Euro). Information im Internet: www.konstanzerkonzil2014.de
Rosgartenmuseum: Dort wird die Ausstellung „Konstanz um 1414 – Städtischer Alltag zur Zeit des Konzils“ präsentiert: Dienstag bis Freitag 10 bis 18, Samstag, Sonntag, Feiertag 10 bis 17 Uhr (Broschüre 9,90 Euro). Internet: www.konstanz.de/rosgartenmuseum
Archäologisches Landesmuseum: Die Sonderausstellung mit Playmobil-Figuren heißt „Voll bis unters Dach – Konstanz und sein Konzil“: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr (bis 22. Februar 2015). Info im Internet: www.konstanz.alm-bw.de
Konzilfestspiele vom 27. Juni bis 25. Juli auf dem Münsterplatz: „Konstanz am Meer. Ein Himmelstheater“ von Theresia Walser und Karl-Heinz Ott; Karten: Tel. (0 75 31) 90 01 50.