Es sind Szenen wie im Krieg: Mitten auf einem zentralen Verkehrsknotenpunkt in Brüssel liegt ein angeschossener Mann, Polizisten und Soldaten haben sich hinter ihren Fahrzeugen verschanzt. Augenzeugen beschreiben, was sich dort abgespielt hat: Demnach hat der Mann eine Frau und ein Kind als Geisel genommen. Die Frau sollte offenbar als menschlicher Schutzschild dienen. Doch es gelang der Polizei, ihn mit Schüssen am Bein zu verletzen. Ein Amateurvideo zeigt, wie ein Kind neben dem Mann kniet, der bereits am Boden liegt, und schließlich freigelassen wird. Spezialeinheiten im Bombenschutzanzug untersuchen seine Tasche.
Brüssel am dritten Tag nach den Anschlägen. Die Razzien nach weiteren Terroristen und Hintermännern der Anschläge vom Dienstag begannen schon am späten Donnerstagabend. Bis zum Morgen hatte die Polizei sechs Verdächtige festgenommen. Im Laufe des Freitags kamen bei weiteren Zugriffen vier Männer dazu. Während der Razzien kam es mehrfach zu Schießereien. In der Gemeinde Schaerbeek gab es drei Explosionen, deren Ursache zunächst unklar blieb. Am Nachmittag räumten Sicherheitskräfte die Metro-Station Arts-Loi. Dort kreuzen sich alle Linien der U-Bahn, deren Verkehr erneut eingestellt wurde. Brüssel befand sich im Belagerungszustand – und niemand konnte sagen, wie lange noch.
In der Nacht zum Freitag hatten französische Sicherheitskreise weitere Hinweise nach Brüssel geschickt. Zuvor waren die Pariser Ermittler in Argenteuil bei der Durchsuchung eines Hauses auf Sprengstoff, Waffen und Munition auf weitere Anschlagspläne gestoßen. Diese führten auch in Deutschland zu zwei Verhaftungen in Düsseldorf und Gießen. In beiden Fällen wurden Verbindungen nach Brüssel und Paris festgestellt. „Die Terrornetzwerke in Brüssel und Paris sind dabei, abgeschaltet zu werden“, gab sich am Freitagnachmittag Frankreichs Staatspräsident François Hollande überzeugt. Aber er schränkte auch ein: „Andere Netzwerke bestehen weiter. Die Gefahr bleibt hoch.“
Brüssel traf die neuerliche Eskalation am Freitag unvorbereitet. Die Situation wurde zusätzlich dadurch verschärft, dass die Behörden wegen des Besuches des US-Außenministers John Kerry Teile der Innenstadt gesperrt hatten. Er legte einen Kranz am Flughafen nieder und gedachte dabei der beiden amerikanischen Opfer. „Ich bin ein Brüsseler“, sagte er in einer kurzen Ansprache und sicherte Belgien den Rückhalt und die Unterstützung der Vereinigten Staaten zu.
Doch die Szene wirkte gespenstisch, fielen doch zugleich in weiter entfernt liegenden Stadtteilen immer wieder Schüsse. In weiten Teilen der Stadt waren die Anwohner von der Polizei aufgefordert worden, ihre Häuser nicht zu verlassen und sich von den Fenstern fernzuhalten. Der private Pkw-Verkehr musste in einigen Bereichen völlig eingestellt werden. Gepanzerte Fahrzeuge von Polizei und der Armee hatten alle wichtigen Einfallstraßen nach Brüssel abgeriegelt. Die belgische Hauptstadt erlebt derzeit einen Albtraum. Und es ist nicht einmal sicher, ob dieser Platz für ein friedliches Osterfest lässt.