Ermöglicht das Gesetzespaket zur Reform des Länderfinanzausgleiches durch die Hintertür die Privatisierung des deutschen Autobahnnetzes? Beschlossen wurde dabei auch die Gründung einer so genannten Autobahn-GmbH. Union und SPD beteuern, dass das neue Gesetz zahlreiche Schranken gegen eine Privatisierung enthält. Doch Kritiker sind nicht überzeugt – sie fürchten, dass eine Privatisierung großer Teile des Fernstraßennetzes nun erst recht möglich ist.
Eine zentrale Infrastrukturgesellschaft soll künftig übernehmen, was bisher Ländersache war: Planung, Bau und Betrieb der Autobahnen und Bundesstraßen in Deutschland. Die Befürworter dieses Modells glauben, dass eine solche Gesellschaft die teils maroden und von Sanierungsstau betroffenen Strecken deutlich schneller und effizienter auf Vordermann bringen kann. Ulrich Lange (CSU), verkehrspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag: „Statt verflochtener Bundes- und Länderzuständigkeiten mit Doppelstrukturen und Reibungsverlusten werden wir Kompetenzen effizient bündeln“. Die neue Infrastrukturgesellschaft werde dabei wie die Autobahnen selbst „zu 100 Prozent in Bundeshand“ bleiben.
Nach früheren Plänen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hätten auch private Investoren, etwa Banken und Versicherungen, Anteile an der Autobahngesellschaft erwerben können. Doch dagegen sperrte sich die SPD und setzte ein Verbot eines kompletten oder teilweisen Verkaufs der Infrastrukturgesellschaft durch.
Kritiker sehen indes schon allein durch die Überführung der Aufgaben in eine privatrechtliche Gesellschaft große Nachteile. Laura Valentukeviciute von der Organisation „Gemeingut in Bürgerhand“ warnt: „Der Bundestag hat künftig kaum noch Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten – und die Länder gar keine mehr.“ Und die Gefahr der Privatisierung sei keineswegs gebannt – komme aber aus einer anderen Richtung. Denn die so genannten öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPPs) bleiben auch nach der Grundgesetzänderung weiter möglich.
Ein Beispiel für eine solche ÖPP ist etwa der sechsspurige Ausbau des Abschnitts zwischen Augsburg und Ulm der Autobahn A 8 durch das Unternehmen Pansuevia. Eigentümer sind die Bauunternehmen Hochtief und Strabag. Neben einer Anschubfinanzierung von 75 Millionen Euro erhält die Pansuevia dafür einen Teil der Mauteinnahmen, die auf der 41 Kilometer langen Strecke anfallen.
Nach der neuen Gesetzeslage werden ÖPPs zwar nicht ausgeschlossen, aber begrenzt. Auf ganzen Autobahnnetzen sind sie verboten, erlaubt sind aber Einzelprojekte unter 100 Kilometer Länge. Doch für Laura Valentukeviciute ist die Einzel-ÖPP ohnehin die „grassierende Privatisierungsform“. Unter den sieben bisher in Deutschland verwirklichten Autobahn-ÖPPs umfasse keine mehr als 100 Kilometer Strecke. Und niemand könne künftig verhindern, dass ein Konzern sich zahlreiche Einzel-ÖPPs sichere und dadurch die Mauteinnahmen aus großen Teilen des Streckennetzes kassiert. „Theoretisch bräuchte es nur 130 Projekte, um die 13 000 Autobahnkilometer faktisch in private Hände zu überführen“, sagt Valentukeviciute.
Auch Toni Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen, klagt: „Union und SPD haben Schlupflöcher zur Privatisierung unserer Autobahnen geschaffen.“ Die Große Koalition erlaube mit den ÖPPs „eine kostspielige undurchsichtige Beteiligung von Großkonzernen an Autobahnen.“