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Wien
Was wird aus Hitlers Geburtshaus?
Seit Jahrzehnten wird um den Umgang mit dem Gebäude gerungen. Im Januar 2017 wurde die Eigentümerin durch den Staat Österreich enteignet.
Ein Gedenkstein aus dem ehemaligen KZ Mauthausen steht vor dem Hitler-Haus in Braunau.
Foto: Matthias Röder, dpa | Ein Gedenkstein aus dem ehemaligen KZ Mauthausen steht vor dem Hitler-Haus in Braunau.
Mariele Schulze-Berndt
 |  aktualisiert: 11.12.2019 21:29 Uhr

Der österreichische Innenminister Wolfgang Peschorn ist ein vielbeschäftigter Mann. Als Nachfolger des FPÖ-Politikers Herbert Kickl in der österreichischen Übergangsregierung läßt er untersuchen, welche Veränderungen in dessen Amtszeit vorgenommen wurden. Er entscheidet,ob sie möglicherweise rückgängig zu machen sind. Außerdem liegt die Untersuchung der Hintergründe des Ibiza-Videos in seiner Verantwortung, das die Regierung Kurz platzen ließ.
Angesichts der Fülle der Aufgaben geht die neueste Entwicklung hinsichtlich des Geburtshauses von Adolf Hitler in Braunau am Inn öffentlich fast unter. Seit Jahrzehnten wird um den Umgang mit dem Gebäude gerungen. Im Januar 2017 wurde die Eigentümerin durch den Staat Österreich enteignet. Inzwischen ist auch die Klage der ehemaligen Eigentümerin auf eine um 696 000 Euro höhere Entschädigung als die geleisteten 812 000 Euro vom Obersten Gerichtshof abgewiesen. Hitlers Geburtshaus könnte also einer neuen Bestimmung zugeführt werden. Einer Bestimmung, "durch die jegliche Form nationalsozialistischer Umtriebe unterbunden wird". So sieht es das Gesetz vor.
Doch bereits seit acht Jahren steht das Haus leer. Entsprechend schlecht ist sein Zustand. Eine vom ÖVP-Innenminister Sobotka eingesetzte Historiker-Kommission hat einen Architekten-Wettbewerb für die Restaurierung vorgeschlagen und empfiehlt eine "tiefgreifende architektonische Umgestaltung" und eine "lebensbejahende oder neutrale Nutzung". Diskutiert wird über eine Behindertenwerkstatt der Lebenshilfe, die der letzte Mieter war. Durch ein Kunstatelier könnten Künstler aus der Region und Schulen einbezogen werden.
Doch der Innsbrucker Politologe Andreas Maislinger hat einen anderen Plan. Seit Jahrzehnten kämpft er dafür, dass aus dem Gebäude ein "Haus der Verantwortung" wird, in dem sich junge Menschen aus aller Welt begegnen können. "So kann das Haus zu einer Stätte der Verständigung und Versöhnung werden", erklärt Maislinger.
Als Gründer des österreichischen Auslandsdienstes, für den er immer noch tätig ist, hat Maislinger Erfahrung damit, Freiwillige aus Österreich in die Welt zu senden, ähnlich wie die Aktion Sühnezeichen in Deutschland. Die Schwerpunkte sind der Gedenkdienst, der Sozialdienst und der Friedensdienst. "Zu meinem Konzept gehört, dass die jungen Leute, die einige Monate in Braunau leben, in Schulen und Jugendgruppen über Erfahrungen aus ihren Heimatländern berichten und darstellen, wie sie als Nicht-Österreicher die nationalsozialistische Vergangenheit wahrnehmen", meint der 64-jährige Wissenschaftler. Als Wirts- und Bauernsohn hat er früh erfahren, dass viele Österreicher die NS-Zeit gern vergessen möchten, auch in Braunau am Inn in Oberösterreich.

In diesem Bundesland liegen das ehemalige Konzentrationslager und die Gedenkstätte Mauthausen und der Gedenkort Schloss Hartheim, wo im Rahmen des NS-Euthanasie-Programms mehr als 30000 Kranke und Behinderte ermordet wurden. Auf deutscher Seite wird in Dachau und auf dem Obersalzberg an die nationalsozialistischen Verbrechen erinnert. "Das heißt, eine weitere Gedenkstätte wäre nicht das richtige Konzept", so Maislinger. Er ist optimistisch, was die Finanzierung seines Vorhabens angeht. Denn seine Netzwerke spannen sich in die ganze Welt. Prominente, wie Branko Lustig, der kroatische Filmproduzent von "Schindlers Liste" oder der Schwimmstar Markus Rogan haben ihm Unterstützung zugesagt. Auch der World Jewish Congress wäre, so Maislinger, zu gewinnen. "Das einzige, was fehlt, ist die Zustimmung der österreichischen Behörden", sagt Maislinger. "Dabei läuft uns langsam die Zeit davon".

 
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