Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen wegen Verdachts des Landesverrats gegen zwei Journalisten des Blogs netzpolitik.org eingestellt. Bei den von ihnen veröffentlichten Informationen über den Verfassungsschutz handele es sich nach übereinstimmender Einschätzung mit dem Bundesjustizministerium nicht um ein Staatsgeheimnis, teilte die Karlsruher Behörde am Montag mit. Die Affäre, die Generalbundesanwalt Harald Range den Job kostete, ist damit aber noch nicht beendet.
Denn die Justiz sucht weiter nach den Informanten der Blogger. Laut Bundesanwaltschaft besteht ein Verdacht gegen „unbekannte Berufsgeheimnisträger wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses“. Das Verfahren dazu werde an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben.
Die Blogger Markus Beckedahl und André Meister hatten vertrauliche Dokumente des Bundesamtes für Verfassungsschutz veröffentlicht, in denen es um Pläne zur stärkeren Überwachung des Internets ging. Nach einer Anzeige des Verfassungsschutzes hatte Range ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats eingeleitet, das in Medien und Politik vielfach als Angriff auf die Pressefreiheit kritisiert wurde. Die Bundesregierung distanzierte sich von den Ermittlungen.
Zum Eklat kam es in der vergangenen Woche wegen eines von Range in Auftrag gegebenen Gutachtens zur Frage, wie die veröffentlichten Dokumente zu werten seien. Range warf Justizminister Heiko Maas (SPD) Einflussnahme und einen unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz vor. Der Minister brachte daraufhin Ranges Versetzung in der Ruhestand auf den Weg.
Journalistenverbände sowie Politiker reagierten mit Erleichterung auf die Einstellung der Landesverratsermittlungen. Gleichzeitig verlangten sie vollständige Aufklärung darüber, wer in der Bundesregierung in die Ermittlungen eingebunden war und möglicherweise Druck auf den Generalbundesanwalt ausgeübt hat.
Dem Gründer von Netzpolitik.org, Beckedahl, reicht die Einstellung des Verfahrens nicht aus. Er und seine Kollegen wollten wissen, wer die Verantwortung für die „offensichtliche Fehlentscheidung“ trage, die Ermittlungen wegen Landesverrats überhaupt zu beginnen. „Wir haben das Gefühl, dass da noch einiges nicht ans Licht gekommen ist, wer in der Bundesregierung zu welchem Zeitpunkt von den Ermittlungen gewusst hat“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Er will auch wissen, ob der Blog im Zuge der rund dreimonatigen Ermittlungen überwacht worden sei.
„Gut, dass der Spuk nun zu Ende ist“, sagte die Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Renate Künast (Grüne), der dpa. „Der Angriff auf die Pressefreiheit ist damit vorerst beendet.“ Es bleibe allerdings „das Geschmäckle“, dass ein Beweismittel – nämlich ein externes Gutachten – einfach durch eine Stellungnahme aus dem Justizministerium ersetzt worden sei.
Nach Überzeugung von FDP-Vize Wolfgang Kubicki ist die Affäre für die Bundesregierung noch nicht ausgestanden. Die Rolle von Innenminister Thomas de Maiziere (CDU), dem der Verfassungsschutz untersteht, müsse untersucht werden.
Wie es nun weitergeht
Der Generalbundesanwalt ermittelt zwar nicht mehr wegen Verdachts des Landesverrats gegen die zwei Blogger von netzpolitik.org und mögliche weitere Personen. Die Ermittlungsbehörde will aber immer noch herausfinden, wer Dienstgeheimnisse aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz an die Blogger und an andere Journalisten verraten hat. Dabei geht es um vertrauliche Dokumente über den geplanten Aufbau eines neuen Referats zur Überwachung sozialer Medien, das beim Verfassungsschutz entstehen soll. Bei seinen Ermittlungen wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses beruft sich der Generalbundesanwalt auf Paragraf 353b des Strafgesetzbuches.
Darin geht es um geheime Informationen, die jemand als Amtsträger erhält und dann unbefugt weitergibt. Das wären in diesem Fall Mitarbeiter des Verfassungsschutzes oder der übergeordneten Behörde, also des Bundesinnenministeriums.
Die Verletzung des Dienstgeheimnisses kann, wenn ein Amtsträger dadurch „wichtige öffentliche Interessen“ gefährdet, mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. Hat der Täter fahrlässig gehandelt, liegt die maximale Haftstrafe bei einem Jahr. Text: dpa