Don Lorenzo Pasquotti war einer der Ersten, der den Schiffbrüchigen in der Unglücksnacht zu Hilfe eilte. Der Dorfpfarrer im Hafen der toskanischen Insel Giglio sperrte die Türen seiner Kirche auf. Die ersten durchnässten Passagiere kauerten da schon auf den Stufen. Don Lorenzo schaffte Decken und Jacken aus seiner Wohnung herbei. „Später haben sich die Schiffbrüchigen auch mit den Messgewändern und den Hemden der Ministranten zugedeckt“, erzählt der Pfarrer.
Unter den Passagieren war damals auch ein Ehepaar aus dem Wernecker Ortsteil Stettbach (Lkr. Schweinfurt). Der 63-jährige Mann und seine zwei Jahre jüngere Frau wurden im Trubel um die Rettung der Passagiere getrennt, wussten lange nicht, ob der jeweils andere überlebt hat. Zum Glück ging es am Ende gut für beide aus: Sie fanden unversehrt wieder zusammen. Mit an Bord war auch eine sechsköpfige Reisegruppe aus Aschaffenburg. Auch sie konnten unversehrt zurück in die Heimat reisen wie auch zwei Frauen – Mutter und Tochter – aus dem Landkreis Main-Spessart.
„Wir hatten uns so gefreut, und bis zu diesem Abend war auch alles in Ordnung gewesen“, erinnert sich Gerald Löffler aus Aschaffenburg. Die Aschaffenburger waren beim Abendessen gerade mit der Vorspeise fertig, als es „einen ziemlichen Rumms gegeben“ hat. Für Susanne Schanz hat es „sich angefühlt wie bei einer Vollbremsung. Es hat ein paar Minuten geruckelt, dann war es ruhig“. Als die ersten Kinder zu schreien anfingen, brach das Chaos aus. Erst zweieinhalb Stunden nach der Havarie stieg die Aschaffenburger Gruppe in ein Rettungsboot, eines der letzten. „Wir können froh sein, dass wir noch leben“, erinnert sich Gerald Löffler.
An diesem Freitag nun jährt sich zum fünften Mal die Havarie der „Costa Concordia“. Bei dem Unglück kamen 32 Menschen ums Leben. Das Kreuzfahrtschiff war in der Nacht des 13. Januar 2012 gegen 21.45 Uhr vor der Insel wegen eines waghalsigen Manövers auf Grund gelaufen und kam dann vor dem Hafenbecken mit schwerer Schlagseite zum Liegen. 4229 Passagiere befanden sich auf dem Schiff, die meisten konnten sich mit Rettungsbooten oder schwimmend in den Hafen von Giglio retten.
Am Freitagmittag wird Don Lorenzo eine Gedenkmesse in der Kirche von Giglio halten. Anschließend soll ein Blumenkranz ins Wasser gelassen werden. Es ist ein Fackelzug im Hafen geplant, schließlich werden um 21.45 Uhr die Kirchenglocken läuten und die Hupen der im Hafen liegenden Schiffe ertönen. „Es wird ein bewegender Moment sein“, sagt Don Lorenzo.
Vom Wrack der „Costa Concordia“ ist auf Giglio schon länger nichts mehr zu sehen. Mehr als 18 Monate lag das knapp 300 Meter lange Kreuzfahrtschiff vor der Insel. In einer aufwendigen Aktion richteten Spezialisten das Wrack auf, brachten es mithilfe von 30 Stahlcontainern wieder zum Schwimmen und schleppten es im Juli 2014 in den Hafen von Genua. Dort wird der Stahlriese seither abgewrackt. 80 Prozent des Materials sollen für den Bau anderer Schiffe wiederverwendet werden. Bis Februar 2017 soll die letzte Schraube abmontiert und damit das Schiff verschwunden sein.
Wie vom Erdboden verschluckt ist auch Francesco Schettino, der ehemalige Kapitän des Schiffes. Im Mai bestätigte ein italienisches Berufungsgericht seine Verurteilung zu 16 Jahren und einem Monat Haft wegen fahrlässiger Tötung, Schiffbruch und vorzeitigem Verlassen des Schiffs. Fünf Mitverantwortliche wurden 2013 im Schnellverfahren zu geringen Haftstrafen verurteilt.
Wie sein Anwalt Saverio Senese berichtet, hält sich der 56-Jährige in seinem Wohnort Meta di Sorrento südlich von Neapel auf. Der Ex-Kapitän hat Revision gegen das Urteil eingelegt. Erst wenn diese vom Obersten Gerichtshof in Rom abgelehnt werden sollte und das Urteil damit rechtskräftig wird, müsste Schettino ins Gefängnis. Am 20. April soll die Entscheidung darüber fallen.
Er habe ihn lange nicht gesehen, erzählt ein Mitarbeiter eines Tauchgeschäfts, das gegenüber der neuen Wohnung Schettinos in Meta liegt. Schettino ist kürzlich umgezogen. „Wir sprechen nicht sehr viel über ihn“, sagt der Mann über die Stimmung im Ort. Anwohner haben den Ex-Kapitän zuletzt in der Nähe seiner Wohnung gesichtet, wo er manchmal mit seiner tibetanischen Dogge spazieren geht. Schettino trägt inzwischen Vollbart, er verbringe viel Zeit zu Hause am Computer und beim Musikhören, sagen Leute, die ihn kennen. Den Fernseher schalte der laut Gericht Hauptverantwortliche für das Schiffsunglück vor fünf Jahren nicht mehr ein. Zu groß ist ihm offenbar das Risiko, auf Berichte auch über seine eigene Geschichte zu stoßen, die in diesen Tagen gezeigt werden. Schettino wurde von Medien als „Kapitän Feigling“ bezeichnet, weil er noch während der Evakuierung des Schiffs von Bord ging und dies zeitweise damit rechtfertigte, er sei in eines der Rettungsboote gefallen.
Die Staatsanwaltschaft bezeichnete ihn als „unvorsichtigen Idioten“, für die Gerichte war seine Schuld für das waghalsige Manöver vor Giglio erwiesen. Schettino selbst hält sich für das Opfer einer Medienkampagne, „mein Kopf wurde aus ökonomischen Gründen geopfert“, sagte er vor Gericht. Die „Costa Concordia“ war offenbar deshalb so nah an die Küste gefahren, um einem ehemaligen Kapitän auf Giglio die Ehre zu erweisen. Wie Schettino behauptete, seien solche Manöver auch von der Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere zu Werbezwecken gewünscht gewesen. Bei der Navigation rammte das Schiff schließlich einen Felsen, schlug leck und lief voll Wasser.
Der ehemalige Kapitän hegt nun noch die letzte Hoffnung, der Oberste Gerichtshof werde das Urteil wegen Prozessfehlern kassieren. Anwalt Senese behauptet, die Rechte seines Mandanten seien vom Berufungsgericht verletzt und wichtige Beweise nicht anerkannt worden. „Schettino hofft, dass der Gerichtshof diese Fehler korrigiert“, sagt Senese. Wie es dem Ex-Kapitän gehe, könne er nicht genau sagen. Im Prozess gegen ihn hatte Schettino angemerkt, zusammen mit den 32 Opfern des Unglücks sei auch er „teilweise gestorben“.