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BRÜSSEL
Was tut Russland am meisten weh?
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 03.09.2014 19:46 Uhr

In der EU wächst offenbar die Bereitschaft, Russland für seine Rolle in der Ukraine-Krise deutlich schärfer zu bestrafen als zunächst geahnt. Neben umfangreichen Maßnahmen, die die Banken des Landes praktisch vom internationalen Finanzmarkt abkoppeln würden, erwägen die 28 Mitgliedstaaten auch einen Boykott „aller internationalen kulturellen, sportlichen und wirtschaftlichen Großveranstaltungen in Russland“ auf Jahre hinaus.

In einem ersten Konzept, das am Mittwoch von den Botschaftern der Mitgliedsstaaten diskutiert wurde, schlägt die EU-Kommission unter anderem vor, die europäischen Fußball-Nationalmannschaften nicht an der Weltmeisterschaft 2018 in Russland teilnehmen zu lassen. Als erstes Großereignis, das von dem Bannstrahl der EU getroffen würde, wird das Formel-1-Rennen in Sotschi genannt, das bereits im Oktober stattfinden soll. „Wir sind nicht bereit, dem Treiben Moskaus noch länger zuzusehen und werden am Freitag zu Maßnahmen greifen, die wirklich schmerzhaft sind“, kündigte ein hoher EU-Diplomat in Brüssel an. Die Vorschläge müssen aber noch von den Regierungen in den Hauptstädten gebilligt werden, die Moskau beim EU-Gipfeltreffen am vergangenen Samstag in Brüssel ein Ultimatum bis Freitag gestellt hatten, um sichtbare Schritte der Rückkehr zur Normalität in der Ukraine zu ergreifen.

Auflagen für Banken

Der Großteil der Vorschläge bezieht sich auf den Finanzmarkt. Dabei geht es beispielsweise um ein Kreditverbot für staatliche Banken. Außerdem könnten nach den Banken auch die Hedgefonds mit der Auflage belegt werden, keine Refinanzierungsgeschäfte mehr mit russischen Kunden abzuschließen. Als „geradezu drakonische Strafe“ (so ein Diplomat) wird in Brüssel offenbar auch über einen Ausschluss Russlands aus dem sogenannten Swift-System nachgedacht. Die Finanzzentrale der Banken wickelt weltweit alle Auslandsüberweisungen ab. Sollte die EU den Zugang russischer Kunden zu Swift stoppen, wären Unternehmen wie Privatpersonen von allen Finanztransaktionen an den Kapitalmärkten und im Außenhandel ausgeschlossen. „Das wäre für Russland tödlich“, hieß es gestern.

Spürbare Auswirkungen

Einigkeit scheint es bereits darüber zu geben, nicht nur die russische Rüstungsbranche, sondern auch Privatpersonen künftig nicht mehr mit sogenannten „Dual use“-Produkten zu beliefern, also Waren, die sowohl militärisch wie auch zivil genutzt werden könnten. Unklar ist jedoch, ob sich dieses Diktat tatsächlich in allen Mitgliedsstaaten durchsetzen lässt.

Völlig offen blieb am Mittwoch auch, ob und wenn ja welche Schritte die EU im Energiebereich unternehmen könnte. Brüssel hatte mehrfach erwogen, die Abnahme von russischem Öl und Gas zurückzuschrauben, um das Land dadurch von wichtigen Einnahmen abzuschneiden. Allerdings gibt es immer noch keine befriedigende Lösung für jene Mitgliedsstaaten, die überwiegend oder ganz auf russische Zulieferungen angewiesen sind.

Der Importstopp Moskaus für Nahrungsmittel aus Europa hat sich nach Darstellung von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos „bisher spürbar ausgewirkt“. Allerdings seien die Konsequenzen noch „nicht in dem Maße“ zu erkennen, wie Russland sich das wohl erhofft habe. Brüssel will nach den Obstbauern nun auch den Produzenten von Gemüse, in einem nächsten Schritt auch von Milch unter die Arme greifen. Von den insgesamt bis 2015 bereitstehenden Hilfen in Höhe von 180 Millionen Euro sollen 120 Millionen den Landwirten zugutekommen. Der Rest werde zur Absatzförderung und zur Einlagerung von Lebensmitteln verwendet.

 
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