Die Reaktion der Bundeskanzlerin klang nach der überraschenden Andeutung eines Durchbruchs bei der Pkw-Maut am Morgen danach ein wenig zurückhaltend. Angela Merkel begrüße, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin, dass Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt eine außergerichtliche Einigung mit der EU-Kommission in Sachen Pkw-Maut anstrebe. Er schob aber auch den Hinweis nach, dass die Regierungschefin auf die Einhaltung des Koalitionsvertrages poche.
Mit anderen Worten: Deutsche Autofahrer dürfen durch die Einführung der Infrastrukturabgabe nicht zusätzlich belastet werden. Zuvor hatte schon ein Vertreter des ADAC gefordert, dass es, sollte die Maut kommen, „keine Mehrbelastung für deutsche Autofahrer geben“ dürfe und „keine Ungerechtigkeiten“ zwischen den inländischen Fahrern und denen aus der EU-Nachbarschaft.
Die Maut als Instrument zur Förderung von umweltfreundlichen Fahrzeugen?
Diese Appelle haben ihren Grund. Denn nach wie vor vermag sich offenbar niemand so recht vorzustellen, wie der CSU-Politiker diesen Kunstgriff hinkriegen will. Der ist aber nötig, um das zentrale Argument der Brüsseler EU-Behörde vom Tisch zu wischen, die eine Diskriminierung zwischen deutschen Autofahrern und EU-Ausländern auf deutschen Straßen befürchtet. Tatsächlich bauen Dobrindts Maut-Pläne auf dem Versprechen im Koalitionsvertrag auf, dass die deutschen Autofahrer „bis auf den letzten Cent“ Kompensation erhalten: Was die jährliche Maut kostet, soll bei der Kfz-Steuer gekürzt werden. Mehrausgaben gleich null. Der ADAC hat die These des Ministers, die sei problemlos möglich, bereits vor zwei Jahren mit den Worten kommentiert: „Das gehört nach allen Erfahrungen eindeutig ins Reich der politischen Illusion.“ Um den Einwand der EU-Kommission zu entkräften, entwickelten der Bundesverkehrsminister und Kommissionschef Jean-Claude Juncker offenbar einen rechtlichen Trick: Man könne die Steuererleichterungen an das Fahren umweltfreundlicher Autos koppeln.
Das hieße konkret: Wer beispielsweise ein Elektroauto fährt, bekommt einen höheren Rabatt als der, der eine ältere Dreckschleuder sein eigen nennt. Rein rechtlich handelt es sich nicht mehr um eine Kompensation der Maut, sondern um ein Instrument zur Förderung von umweltfreundlichen Fahrzeugen. Doch die Rechnung scheint ziemlich wackelig zu sein, hieß es in Brüssel. Denn sie bedeute, dass zumindest die Besitzer älterer Fahrzeuge keineswegs eins zu eins für die Maut entschädigt werden. Und ihre Zahl ist deutlich größer als der Kreis derjenigen, die sogar mehr rausbekommen, als ein Jahresticket (maximal 130 Euro) kosten würde.
Für Ausländer soll es neben der Jahres-Maut auch eine Zehn-Tages-Maut (bisher zehn Euro) und eine Zwei-Monats-Maut (22 Euro) geben. Unterm Strich könnten die gesamten Aufwendungen sogar für viele Autofahrer noch höher werden, weil die Niederlande und Belgien angekündigt haben, sich für eine deutsche Maut mit einer eigenen Straßenbenutzungsgebühr zu revanchieren. Aus Österreich hieß es am Freitag, man werde die deutschen Pläne prüfen und dann über eine Klage vor dem EU-Gericht in Luxemburg entscheiden.
„Es liegt der Eindruck nahe, dass sich die EU-Kommission auf einen Kuhhandel einlässt, um einem Konflikt mit Deutschland aus dem Weg zu gehen“, sagte der österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) am Freitag. Tatsächlich würde eine Umwelt-Maut in Deutschland das bestehende europäische Gefüge an Straßen-Zoll ins Wanken bringen. Frankreich und Italien, aber auch andere Staaten überlegen, ob sie ihre Gebühren nach einem entsprechenden deutschen Erlass anpassen – was nur „erhöhen“ heißen kann.
Einrichtung eines Kontrollsystems würde erheblich mehr Investitionen verschlingen
Hinzu kommt noch ein Punkt: Die deutsche Maut wird nicht über Vignetten eingezogen. Geplant sind Kameras, die die Kennzeichen auslesen und mit einem Abrechnungscomputer vergleichen, um so festzustellen, ob die Maut bezahlt wurde oder nicht. Dieses System ließe sich auf EU-Ausländer ausdehnen, die die Abgabe online oder an den Grenzübergängen begleichen und dabei ihre Kennzeichen angeben müssen. Die Errichtung eines entsprechenden Kontroll- und Überwachungssystems in ganz Deutschland würde aber wohl erheblich mehr Investitionen verschlingen als bisher veranschlagt.
Ob der Verkehrsminister am Ende also tatsächlich pro Jahr rund 500 Millionen Euro mehr für den Straßenbau zur Verfügung hat, steht in den Sternen. Mit Informationen der dpa