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ISTANBUL
Was hinter dem neuen Streit mit der Türkei steckt
Erdgas-Streit im Mittelmeer - türkisches Bohrschiff 'Fatih'       -  Die vom türkischen Verteidigungsministerium herausgegebene Aufnahme zeigt ein Patrouillenschiff der türkischen Marine neben dem Bohrschiff „Fatih“.
Foto: Uncredited/Pool Turkish Defense Ministry/dpa | Die vom türkischen Verteidigungsministerium herausgegebene Aufnahme zeigt ein Patrouillenschiff der türkischen Marine neben dem Bohrschiff „Fatih“.
Susanne Güsten       -  Susanne Güsten war Korrespondentin in der Türkei.
Susanne Güsten
 |  aktualisiert: 04.08.2019 02:14 Uhr

Einen Tag, nachdem die EU ihre Sanktionen gegen Ankara im Streit um die türkische Erdgassuche im Mittelmeer beschlossen hat, legt die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan nach. Die Türkei werde die Erforschung der Gasvorräte unter dem Meeresboden als Reaktion auf die EU-Maßnahme jetzt sogar noch verstärken, sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu.

Im Streit mit der EU um das Gas vor Zypern sieht sich die Türkei im Recht: Teile der Meeresgebiete, in denen die zur EU gehörende griechische Inselrepublik nach Gas suchen will, gehören nach türkischem Verständnis zum Festlandssockel der Türkei, andere zum Gebiet der türkischen Zyprer. Die Sanktionen der EU – darunter eine Kürzung der finanziellen Beitrittshilfen für das kommende Jahr von 400 Millionen auf 250 Millionen Euro – nehme er nicht ernst, sagte Außenminister Cavusoglu.

Türkische Bohrschiffe bei Zypern werden derzeit demonstrativ von Kriegsschiffen begleitet. Auch aus anderen Gründen fühlt sich Ankara im Zypern-Streit sehr sicher. Erstens werde Europa wohl kaum wegen Zypern einen militärischen Konflikt riskieren, sagt der angesehne türkische Journalist Murat Yetkin. Die Proteste der Europäer gegen das Vorgehen der Türkei im Mittelmeer ließen die Politiker in Ankara deshalb kalt.

Bei dem Streit um das Gas unter dem Meeresboden geht es um das regionale Machtgefüge im östlichen Mittelmeer, um potenzielle Geschäfte in Milliardenhöhe und um das Interesse der Türkei an einer Teilnahme an der Ausbeutung der Bodenschätze. Proteste aus Brüssel fallen da für Erdogan kaum ins Gewicht, zumal der türkische EU-Beitrittsprozess nur noch auf dem Papier weiterläuft: Brüssel hat kaum Möglichkeiten, Druck auf Ankara auszuüben.

Zudem droht der türkische Außenminister Cavusoglu indirekt mit einer Änderung der Flüchtlingspolitik. „Die EU braucht uns beim Thema Flüchtlinge und bei anderen Themen“, sagte er. „Die werden zu uns kommen und reden – da führt kein Weg dran vorbei“. Die EU-Sanktionen wegen Zypern seien deshalb „wertlos“, sagte der Außenminister. Als Reaktion auf die Entscheidung der Europäer will die Türkei nach der Entsendung von drei Forschungs- und Bohrschiffen jetzt ein viertes Schiff in die Gewässer um Zypern entsenden. Auch bei den Differenzen mit den USA wegen der Lieferung des russischen Flugabwehrsystems S-400 an das NATO-Mitglied Türkei glaubt die Erdogan-Regierung, gute Karten in der Hand zu haben. Mit ihrer Lage zwischen Mittelmeer, Schwarzem Meer und Nahem Osten ist das Land wichtig für die Sicherheitsinteressen der USA.

In Syrien befürchtet das US-Verteidigungsministerium einen Einmarsch der türkischen Armee im Einsatzgebiet amerikanischer Soldaten. Erdogan setzt darauf, dass US-Präsident Donald Trump die angedrohten Wirtschaftssanktionen noch verhindern wird.

 
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