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BERLIN
Was die Vorratsdatenspeicherung bedeutet
reda
 |  aktualisiert: 26.10.2015 03:43 Uhr

Lange wurde gerungen, jetzt ging es schnell: Kurzfristig auf die Tagesordnung gehoben, beschloss der Bundestag am Freitag das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Anfang November soll es in den Bundesrat gehen. Die Grünen kritisieren das „Hauruck-Verfahren. Datenschützer und Netzaktivisten kündigen juristischen Einspruch an.

Welche Auswirkungen hat das Gesetz für den Bürger?

Zehn Wochen lang soll gespeichert werden, wer wann mit wem wie lange telefoniert, simst, und wie sich jemand im Internet bewegt. Vier Wochen sollen die Standortdaten von Handy-Gesprächen aufbewahrt werden. Daten zum E-Mail-Verkehr werden nicht erfasst, auch nicht Kommunikationsinhalte. Die Sicherheitsbehörden bekommen nur in bestimmten Fällen Zugriff auf die Daten. Doch die Erfassung trifft nicht nur verdächtige Schwerverbrecher, sondern sämtliche – auch völlig unbescholtene – Bürger.

Wie und wofür werden die Daten verwendet?

Die Regierung erhofft sich eine effizientere Bekämpfung von Terror und schweren Verbrechen. Die Behörden dürfen die Daten laut Gesetzentwurf auch nur zur Verfolgung bestimmter schwerer Straftaten nutzen – etwa bei der Bildung terroristischer Vereinigungen, Mord, Totschlag oder sexuellem Missbrauch. Einen Abruf der Informationen muss jeweils vorher ein Richter erlauben.

Was kommt auf die Wirtschaft zu?

Telekommunikationsfirmen werden verpflichtet, bei der Speicherung Sicherheitsvorkehrungen einzuhalten, dafür einen Server im Inland zu benutzen und die Daten nach Ablauf der vier oder zehn Wochen unverzüglich zu löschen. Sonst droht ein Bußgeld. Der Verband der Internetwirtschaft eco kritisiert: „Die betroffenen Unternehmen bleiben auf Kosten von geschätzt 600 Millionen Euro sitzen, die sie für die Einrichtung entsprechender Speicherinfrastruktur ausgeben werden.“

Was ist mit sensiblen Daten, etwa von Ärzten oder Anwälten?

Da gibt es Ausnahmen. Die Anrufe bei Seelsorge-Hotlines werden grundsätzlich nicht erfasst. Die Daten von Berufsgeheimnisträgern – etwa Rechtsanwälten, Ärzten, Abgeordneten oder Journalisten – werden zwar mitgespeichert, dürfen aber nicht verwertet werden. Allerdings gibt es ein Problem: Die Daten lassen sich nicht vorab herausfiltern. Es zeigt sich erst beim Zugriff, ob jemand Informant oder Lehrer, Tatverdächtiger oder Anwalt ist.

Bietet das Gesetz Raum für Schlupflöcher und Tricksereien?

Den Straftätern werde bereits im Vorfeld aufgezeigt, dass ihre Telefongespräche in Call-Shops oder die Internetnutzung in Internet-Cafés nicht in die Vorratsdatenspeicherung einfließe, bemängelte unlängst die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff. Und es gibt noch mehr Möglichkeiten – etwa beim Telefonieren mit freigeschalteten Prepaid-Handys, die keiner bestimmten Person mehr zuzuordnen sind, oder mit Krypto-Telefonen, die Kommunikation sicher verschlüsseln und auch die Verbindungsdaten verschleiern.

Wie erfolgsversprechend ist die Vorratsdatenspeicherung?

Kritiker zweifeln wegen der Umgehungsmöglichkeiten am Nutzen der Vorratsdatenspeicherung zur Verbrecherjagd. In Frankreich etwa, wo es die Vorratsdatenspeicherung bereits gibt, habe diese nicht vor den Terroranschlägen von Paris geschützt. Deutsche Ermittler halten die Speicherfristen für zu kurz.

Wird es juristische Schritte gegen das Gesetz geben?

Davon ist auszugehen. Der Verein Digitalcourage bereitet eine Verfassungsbeschwerde vor. „Meine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken bleiben bestehen“, sagt auch die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff.

 
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