Der Vize-Chef der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, erklärt, wie der Terrorgefahr effektiver begegnet werden kann. Doch er warnt auch vor den Folgen der anrollenden Pensionierungswelle bei den Sicherheitskräften.
Jörg Radek: Ich weiß, dass das jetzt sehr abgedroschen klingt. Aber leider bleibt es richtig: Auch eine ausgezeichnete Polizeiarbeit kann absolute Sicherheit nicht garantieren. Man darf auch nicht vergessen, dass wir es bei den Terroristen oft mit Gegnern zu tun haben, die im Umgang mit Schusswaffen oder Sprengstoff nahezu professionell militärisch geschult sind.
Radek: Aus polizeitaktischer Sicht ist es am schwierigsten, Einzeltäter, die sich selbst radikalisieren und mit der Axt, einem Messer oder einem Auto losziehen, um Menschen zu töten, rechtzeitig auszuschalten. Eine Terrorgruppe hingegen braucht konspirative Strukturen wie eine Wohnung, Fahrzeuge oder auch – wie jetzt in Spanien – ein Lager mit Labor. Und vor allem: Sie muss kommunizieren. All das erhöht die Chancen, sie rechtzeitig zu stoppen. Das gelingt auch in den meisten Fällen. Ich denke da beispielsweise an die Sauerland-Gruppe, die 2007 einen Sprengstoffanschlag plante, deren Mitglieder aber rechtzeitig festgenommen werden konnten. Doch Barcelona bestätigt auf dramatische Weise, was ich eingangs gesagt habe.
Radek: Wir brauchen eine bessere Vernetzung der Daten, die in den einzelnen Staaten ermittelt und gesammelt werden. Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus dem Bereich Schwerkriminalität: Als im Oktober 2016 in Freiburg eine junge Frau vergewaltigt und ermordet wurde, suchte die Polizei den Täter über Wochen vergeblich.
In Griechenland war der Mann wegen eines versuchten Mordes in Haft, seine Daten waren also gespeichert. Doch sie wurden nicht international eingespeist. Der Täter konnte erst identifiziert werden, als die griechischen Kollegen Fingerabdrücke übermittelten. Also: Wir brauchen eine moderne europaweite Datei für Terror und Kriminalität.
Radek: Genau so ist es. Wir haben eine föderale Struktur mit Bundes- und Landeskriminalämtern. Auf der anderen Seite gibt es Behörden, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das Bamf, oder auch das Bundesamt für Güterverkehr, kurz BAG. Und da fehlt es in Deutschland an einem übergreifenden Denken. Die Mitarbeiter des Bamf müssten viel stärker Elemente der Arbeitslogik der Polizei im Hinterkopf haben, bevor sie über den Aufenthaltsstatus von Asylbewerbern entscheiden. Wer für das Bundesamt für Güterverkehr auf der Autobahn Lastwagen kontrolliert, der sollte sich nicht nur für die Ladung, sondern auch für den Fahrer interessieren. Für eventuelle Gefahrensituationen müssten die BAG-Mitarbeiter dann allerdings auch besser geschützt sein. Dieses Verständnis fehlt bei uns weitgehend, und das erschwert präventive Gefahrenabwehr.
Radek: Nach Terroranschlägen heißt es immer, dass sich endlich etwas ändern muss. Wir sollten uns die Freude am Oktoberfest, dem Stuttgarter Wasen oder anderen Großveranstaltungen nicht nehmen lassen. Doch wir müssen endlich konsequent Maßnahmen realisieren, um die Sicherheit zu verbessern. In anderen Ländern ist es längst üblich, Poller gegen Terroranschläge mit Fahrzeugen zu installieren. Wir brauchen sicher auch eine bessere Personenkontrolle. Die Akzeptanz dafür in der Bevölkerung ist weit verbreitet.
Radek: 2013 noch war die innere Sicherheit auch für viele konservative Politiker eher ein Randthema. Bei der Polizei wurde flächendeckend gespart, Stellen abgebaut. Bayern war hier die rühmliche Ausnahme. Es ist fast unmöglich, solche Fehler später schnell zu korrigieren.
Radek: Sagen wir es so: Die Sicherheitslage könnte besser sein, wenn wir personell besser ausgestattet wären. Und wir stehen ja erst vor einer gewaltigen Pensionswelle. Bis 2021 wird jeder fünfte der aktuell rund 215 000 Polizisten in Pension gehen. Dafür benötigen wir Ersatz. Darüber hinaus brauchen wir in diesem Zeitraum 20 000 Polizisten zusätzlich. Zumal die Aufgaben für die Polizei in der Vielfalt und vor allem in der Menge weiter wachsen. Es geht ja nicht nur um Terror, sondern auch um Verkehrsunfälle, Einbrüche und nicht zuletzt um die Präsenz der Polizei auf unseren Straßen.
Radek: Uns ist schon bewusst, dass auch Handel, Handwerk und Industrie händeringend Fachkräfte suchen. Aber: Die Polizei trägt das System der Bundesrepublik. Sicherheit ist ein entscheidender Standortfaktor. Auch wenn das Bewerberaufkommen bei uns derzeit noch gut ist, die Politik ist gefordert, den Beruf eines Polizisten für den Nachwuchs attraktiver zu machen.
Radek: Deutschland ist von einem Polizeistaat noch weiter entfernt als der Mond von der Erde. Dennoch müssen wir immer darauf achten, dass Vorschläge zur Sicherheitspolitik auch mit unseren rechtsstaatlichen Grundätzen vereinbar sind. Wenn ich sehe, dass sich Politiker bisweilen wie in einem Ideenwettbewerb mit neuen Forderungen überbieten, scheinen dies einige aus den Augen verloren zu haben.
Radek: Das ist natürlich sehr personalintensiv. Für die 24-Stunden-Überwachung benötigt die Polizei rund 25 Frauen und Männer. Umso wichtiger ist es, diejenigen zügig abzuschieben, die als Gefährder erkannt wurden.
Radek: Das Urteil ist für uns sehr positiv. Damit wurde dem Rechtsstaat Geltung verschafft. Für die Polizisten bedeutet das: Endlich Rechtssicherheit, damit können Polizisten gut arbeiten.
Jörg Radek, 57 Jahre alt, ist Polizeihauptkommissar und stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Die GdP ist mit rund 175 000 Mitgliedern die größte Polizeigewerkschaft Deutschlands. Foto: dpa