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PEKING
Was China dem Ex-Interpolchef vorwirft
Finn Mayer-Kuckuck
 |  aktualisiert: 11.12.2019 16:45 Uhr

Ein Messer. Dieses Emoji konnte Meng Hongwei noch an seine Frau absetzen – und sie wusste sofort: „Er glaubte sich in Gefahr.“ Seit dieser Textnachricht am 25. September herrscht Funkstille. In der Zwischenzeit wuchs die internationale Irritation: „Interpol sucht seinen eigenen Präsidenten“ – in den vergangenen Tagen gab es skurrile Schlagzeilen. Der Chef der internationalen Polizeiorganisation kann doch nicht einfach verschwinden. Noch dazu in seinem Heimatland.

Seit Montag ist bekannt, dass er gerade deshalb spurlos verschwinden konnte, weil er nach China geflogen war. Denn die Korruptionsermittler der Kommunistischen Partei, deren Mitglied er ist, haben ihn in Gewahrsam genommen. „Bestechlichkeit im Amt“, lautet der Vorwurf, der dort keiner weiteren Beweise bedarf, um zu einer öffentlichen Verurteilung zu führen. Meng muss von seinen Posten zurücktreten, er ist auch den Interpol-Job los.

Der Zorn der Mächtigen

Seine Frau wendet sich derweil mit Appellen an die chinesische Regierung und die Öffentlichkeit. Ihr Mann habe immer für den Rechtsstaat gekämpft, da könne er doch nicht einfach so abgesägt werden. Doch eigentlich müsste sie es besser wissen. In ihrer Heimat steht die Partei über dem Recht, und der Zorn der Mächtigen kann jeden treffen. Das chinesische Ministerium für Öffentliche Sicherheit ist eigentlich Mengs Arbeitgeber. Er war dort als Staatssekretär einer der Beamten mit dem höchsten Rang; an Interpol war er, wie dort üblich, nur entsandt. Jetzt teilte das Ministerium mit, dass es Meng wegen der Korruptionsvorwürfe fallen lässt.

Die Mitteilung kam zwar von dem Ministerium, das den gesamten Polizeiapparat kontrolliert. Doch aus der Wortwahl geht hervor, dass Meng sich nicht im Gewahrsam der Polizei, sondern der internen Ermittler der Kommunistischen Partei Chinas befindet. Die KPCh hat ihre eigene Truppe von Aufsehern, die sogenannte Disziplinarkommission. In China steht diese Organisation über der regulären Justiz.

„Das Parteikomitee des Ministeriums stimmt in vollem Umfang zu, dass die Überwachung Mengs und die Ermittlungen gegen ihn gerechtfertigt sind“, teilte das Ministerium mit. Das Dokument betont seine Loyalität zu Machthaber Xi Jinping, dessen weise Führung es sechs Mal auf verschiedene Weise lobt.

Politische Verschiebung

Aus dem Dokument spricht die Machtlosigkeit der chinesischen Polizei gegenüber der Disziplinarkommission der Partei. Es sieht so aus, als sei Meng parteiinternen Intrigen zum Opfer gefallen. Zugleich ist nicht auszuschließen, dass er tatsächlich korrupt war. Meng gehörte zur Seilschaft von Zhou Yongkang, der einst Sicherheitschef und damit wohl der mächtigste Mann im Lande war. Zhou war jedoch auch ein Rivale des derzeitigen Präsidenten Xi Jinping. Nach Xis Amtsantritt im Jahr begann die Disziplinarkommission sofort Ermittlungen gegen den ehemaligen Geheimdienstchef. Zhou wurde 2015 zu lebenslanger Haft verurteilt.

Meng Hongwei konnte sich als Vizechef des Sicherheitsministeriums halten, indem er sein Fähnchen rechtzeitig nach dem Wind gedreht hat. Er hatte sich zudem einen Namen als tatkräftiger Beamter gemacht, der Widerstand gegen den Staat sofort rücksichtslos unterdrücken lässt. Das ermöglichte 2016 seine Ernennung auf den Interpol-Posten. Dort hat er immer wieder versucht, international nach Kadern fahnden zu lassen, die China wegen Korruption suchte. Daher geht nun das Rätselraten los, warum die KP einen der ihren plötzlich absägt. Experten vermuten, dass es eine politische Verschiebung in der Partei gab, die Hongwei untragbar gemacht hat.

 
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