Als Papst Franziskus am 13. März im Petersdom das „Heilige Jahr der Barmherzigkeit“ ausrief, knallten im Rathaus auf dem Kapitol die Sektkorken. Die Presse beschwor seit langem die Sympathien des Papstes für Bürgermeister Ignazio Marino. Aber so ein Geschenk hatte niemand erwartet. Die Stadt Rom würde einen Touristenansturm ohnegleichen erleben, Millionen Euro würden in die leeren Stadtkassen gespült, der Bürgermeister würde sich weltweit präsentieren können. So lauteten die euphorischen Prognosen.
Die Wirklichkeit stellt sich komplizierter dar. Die Stadtverwaltung um Marino ist mit den Vorbereitungen für das außerordentliche Heilige Jahr schwer im Verzug. Das hat vor allem mit den Ermittlungen gegen ein „Mafia Capitale“ genanntes Kriminellen-Netzwerk in Rom zu tun, die jede Art von Planung erschwerte. Acht Referatsleiter gaben im Zuge der Skandale auf. Am 8. Dezember, dem 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Vatikanischen Konzils, weiht der Papst das „Heilige Jahr der Barmherzigkeit“ ein, das bis 20. November 2016 dauern wird.
Die Stadt präsentiert sich auch drei Monate vor Beginn der Feierlichkeiten so chaotisch wie eh und je. Am Donnerstag ordnete Innenminister Angelino Alfano dem Bürgermeister den römischen Polizeipräfekten Franco Gabrielli bei und löste unter anderem den Stadtrat der Hafenstadt Ostia wegen Mafia-Infiltration auf. Der Präfekt soll unter anderem die Vorbereitungen für das Heilige Jahr begleiten.
Wo soll das Geld herkommen?
Als Chef des italienischen Zivilschutzes meisterte Gabrielli bereits Herausforderungen wie die Bergung der vor der Insel Giglio auf Grund gelaufenen Costa Concordia. Das Wirken Marinos hat die Regierung bislang nicht überzeugt. Nun soll die in Korruption und Müll versinkende italienische Hauptstadt von einem Tandem aus Präfekt und Bürgermeister an das Großereignis herangeführt werden. Ob es sich dabei um eine Hilfestellung für Marino oder eine Demütigung handelt, darüber gehen die Meinungen auseinander.
Ein Rätsel ist auch, woher das notwendige Geld für die Vorbereitungen kommen soll. In Rom werden 25 Millionen Pilger und Touristen erwartet, die dem Aufruf des Papstes folgen und unter anderem auf den Erlass ihrer Sünden hoffen. Die Stadtregierung hat bereits 131 Eingriffe beschlossen, für die bisher aber erst 50 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Nach Schätzungen sind mindestens 400 Millionen Euro nötig. Nächste Woche ist ein runder Tisch geplant, um Klarheit zu schaffen. Mit dem Geld soll die italienische Hauptstadt aufpoliert werden und in neuem Glanz erscheinen.
Brücken und Bahnhöfe sanieren
Zu diesem Zweck möchte die finanziell klamme Stadt Straßen ausbessern, Brücken und Bahnhöfe sanieren, Fassaden und Bürgersteige pflegen, Mülleimer und Dixi-Toiletten aufstellen, Grünanlagen reinigen, Parkplätze und Fahrradwege bauen. Geld ist außerdem notwendig, um die Überstunden von Polizisten und Mitarbeitern der Verkehrsbetriebe zu bezahlen. Mehr Busse und U-Bahnen sollen ab 8. Dezember fahren, eine neue Trambahnlinie ist geplant. Den Römern stehen in den kommenden Monaten noch unruhigere Zeiten als sonst bevor. Etliche Baustellen werden die Fortbewegung erschweren, teilweise soll rund um die Uhr gearbeitet werden.
Nicht wenige Römer bezweifeln, dass die Stadtverwaltung dieses Programm erfüllen kann. Notwendig, so spotten Beobachter, sei entweder eine große Finanzspritze der Regierung oder ein Wunder. Andererseits: Wo sollen Wunder geschehen, wenn nicht in Rom?