Es kann für den Staat durchaus attraktiv sein, ein sehr günstiges Umfeld für solche Briefkastenfirmen zu schaffen“, sagt der Würzburger Steuerrechtler Ralf P. Schenke. Im Interview mit dieser Redaktion erklärt er, weshalb nicht alle Gründer von Briefkastenfirmen in Steueroasen wie Panama kriminelle Absichten haben und welche Handlungsmöglichkeiten die deutsche Politik hat.
Ralf P. Schenke: Nein, es ist nicht verboten, eine entsprechende Firma zu gründen. Wenn man diskrete Geschäfte durchführen möchte, ist dieses Vorgehen nachvollziehbar. Dies spielt etwa in Branchen mit einem negativen Image eine wichtige Rolle. Ein Beispiel sind Rüstungsgeschäfte. Niemand schreibt sich gerne auf die Fahnen, dass er sein Geld mit Waffenhandel verdient. Auch Menschen, die in sehr instabilen Ländern leben, können ein legitimes Interesse daran haben, Geld auf ausländischen Konten zu parken. Ein Beispiel sind etwa Syrer, die aufgrund der aktuellen Lage in ihrer Heimat versuchen, ihr Geld möglichst breit zu streuen. Briefkastenfirmen bieten legitime Möglichkeiten für diskretes und zugleich legales Handeln.
Das illegale Handeln ist etwas anderes. In vielen Fällen werden solche Firmen schließlich auch genutzt, um zwielichtige Geschäfte zu verschleiern. Das haben auch die aktuellen Enthüllungen gezeigt.
Schenke: Man kann davon ausgehen, dass es nun zahlreiche Whistleblower geben wird. Informationen können sie für viel Geld an die Finanzverwaltungen verkaufen. Wenn erst einmal ein Anfang gemacht wurde, ist es ganz, ganz schwer, die Daten nun auch unter Kontrolle zu behalten. Das zeigt nicht zuletzt das Beispiel der zahlreichen Steuer-CDs, die zu Konten auf Schweizer Banken angeboten wurden.
Schenke: Die Brisanz liegt darin begründet, dass der Umfang der Verwicklungen in solche Geschäfte doch erheblich größer ist, als man geahnt hat. Auch dass so viele hochgestellte Persönlichkeiten aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens sich an solchen Geschäften in diesem großen Umfang beteiligen, ist bemerkenswert.
Schenke: Der Umfang dieser gigantischen Datenmenge war nicht abzusehen. Auf der anderen Seite weiß jeder, dass es entsprechende Angebote gibt. Sie wurden auch in diesem Fall von der Kanzlei aktiv beworben. Dabei gilt: Gelegenheit macht Diebe. Wenn der „Investor“ davon ausgehen kann, dass solche Geschäfte anonym, diskret und unentdeckt abgewickelt werden, ist die Versuchung groß, sich darauf einzulassen.
Schenke: Eine Briefkastenfirma ist zunächst einmal eine juristische Person, ein Rechtsgebilde etwa in Form einer GmbH. Das Gründen einer juristischen Person hat einen ganz einfachen Vorteil: Haftungsrisiken werden minimiert. Wenn ein Unternehmer ein riskantes Investment durchführen möchte, versucht er so, zu verhindern, dass er mit seinem gesamten Privatvermögen haftbar gemacht wird. Stattdessen haftet im Falle eines Scheiterns nur die juristische Person. Daran ist nichts Illegitimes. Im Gegenteil. Es ist die Voraussetzung dafür, dass Geschäftsleute bereit sind, in riskante Projekte zu investieren. Zu einer illegitimen Briefkastenfirma wird das dann, wenn es eine reine Scheinkonstruktion ist, die mit dem Ziel aufgebaut wird, illegale Machenschaften zu vertuschen oder Steuern zu hinterziehen.
Der Drogenhandel ist ein bekanntes Beispiel. Drogenhändler verfügen häufig über große Bargeldbestände, die sie reinwaschen müssen. Dies erfolgt beispielsweise über fingierte Verträge zwischen Firmen.
Schenke: In Deutschland, Europa oder den USA sind die Gründer einer juristischen Person zur Rechnungslegung verpflichtet. Sie müssen also viele Informationen zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen offenlegen. Wie setzt sich das Vermögen zusammen, wie hoch ist die Bilanzsumme? Welche Gewinne und Verluste sind angefallen? All diese Daten müssen im Jahresabschluss offengelegt und durch externe Wirtschaftsprüfer geprüft und bestätigt werden. Eine entsprechende Verschleierung illegaler Geschäfte ist so kaum noch möglich oder wird doch wesentlich erschwert. Anders ist die Situation in Staaten wie Panama.
Schenke: Panama bestimmt zunächst einmal selbst, welche Rechnungslegungs- und Transparenzvorschriften auf seinem Territorium gelten sollen. Es kann für den Staat durchaus attraktiv sein, ein sehr günstiges Umfeld für solche Briefkastenfirmen zu schaffen. Damit kann man Geld verdienen. Der Staat profiert davon. Das kann auch die deutsche Politik nicht verbieten.
Schenke: Nein. Die deutsche Regierung kann jedoch nach deutschem Recht die Verquickung in illegale Machenschaften bestrafen. Allein die Gründung einer ausländischen Briefkastenfirma unter Strafe zu stellen, würde jedoch zu weit gehen.
Schenke: Allein kann die deutsche Politik wenig erreichen. Aber wenn sich viele Staaten zusammentun, kann erheblicher Druck auf Panama ausgeübt und das Land gezwungen werden, international anerkannte Standards anzuwenden. So könnten Rechnungslegung- und Transparenzvorschriften deutlich erhöht und ausgeweitet werden. Die aktuellen Enthüllungen können hier einen Anstoß geben.
Eine ähnliche Situation hatten wir beispielsweise in der Schweiz. Infolge der zahlreichen Steuerflüchtlinge und der Steuer-CDs hat das Land schließlich sein Bankgeheimnis aufgeweicht.
Schenke: Die Transparenz- und Rechnungslegungsvorschriften müssten auf internationale Standards angehoben werden. Das würde eine Verschleierung illegaler Geschäfte deutlich erschweren. Ich vermute, dass die aktuellen Entwicklungen dazu führen, dass Panama schweren Herzen diesen Weg beschreiten wird. Die Kontrolle dieser Rechtsvorschriften liegt dann jedoch wieder bei Panama.
Schenke: Das ist eine unvermeidbare Folge der völkerrechtlichen Souveränität von Panama. Dass Panama externen Kontrollen zustimmen wird, ist kaum absehbar. Ob neue Vorschriften tatsächlich umgesetzt werden, hängt aber ganz entscheidend von der Qualität der dortigen Wirtschaftsprüfung ab. Die weitere Entwicklung wird man sehr genau beobachten müssen.
Schenke: Das stimmt, mit Ausweichreaktionen muss gerechnet werden. Schon bevor das Schweizer Bankgeheimnis gelockert wurde, hat es ebenfalls entsprechende Verlagerungen gegeben. Gleichwohl würde ich jedoch nicht sagen, dass die Anhebung der Standards in Panama sinnlos ist. Das Risiko, solche Geschäfte fortzuführen, nimmt für alle Beteiligten zu. Je weniger schwarze Schafe es gibt, desto höher ist der Druck auf die verbleibenden Player, weiterhin „falsch“ zu spielen. Ich gehe davon aus, dass die aktuellen Enthüllungen Auswirkungen nicht nur für Panama, sondern auch für andere Staaten haben werden.
Ralf P. Schenke
Seit 2008 ist der Jurist, Jahrgang 1968, Inhaber des Lehrstuhls für öffentliches Recht, deutsches, europäisches und internationales Steuerrecht an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört Steuerrecht.
Nach einem Forschungsstipendium der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) zur Rechtsfindung im Steuerrecht folgte 2004 die Habilitation in Freiburg. Beteiligt war er unter anderem an Forschungsprojekten zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung, zu Europol sowie zur intelligenten Videoüberwachung.