Schon im Vorfeld seiner Reise nach Paris hatte Recep Tayyip Erdogan versöhnliche Signale ausgesendet. Er wolle die Zahl der Feinde seines Landes verringern und jene der Freunde erhöhen, kündigte der türkische Präsident kurz vor seinem Besuch bei Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron an – dem ersten in einer großen europäischen Hauptstadt seit dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei im Juli 2016.
Die Beziehungen zum traditionellen Alliierten USA, aber auch zur EU haben sich seitdem dramatisch verschlechtert. „Die Straße nach Brüssel verläuft über Paris“, erklärte die Türkei-Spezialistin Jana Jabbour. Macron gelte in der Türkei als „pragmatische und rationale Führungsfigur“. Frankreich ist traditionell kein Anhänger von den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, die ohnehin eingefroren sind. „Die Türkei hat längst nicht von der Europäischen Union bekommen, was sie wollte“, zeigte sich Erdogan enttäuscht.
Intensivierte Partnerschaft
Macron wiederum erklärte, die „Heuchelei“ aufgeben zu wollen: Die jüngsten Entwicklungen in der Türkei gingen nicht in die Richtung einer Annäherung an die EU. Er trete aber für eine intensivierte Partnerschaft ein – ob bei den wirtschaftlichen Beziehungen, im gemeinsamen Anti-Terror-Kampf, bei der militärischen Zusammenarbeit im Rahmen der Nato oder der Lösung der Flüchtlingskrise. „Ich möchte, dass wir die Verankerung der Türkei und des türkischen Volkes in Europa bewahren“, so Macron. Die Lage der Menschenrechte in der Türkei und „Uneinigkeiten bei der Sicht individueller Freiheiten“ erwähnte er bei der Pressekonferenz erst spät, bei der er erkennbar um diplomatische Formulierungen rang. Er habe mehrere präzise Fälle von inhaftierten Persönlichkeiten angesprochen und hoffe auf einen guten Ausgang, wie es ihn für zwei in der Türkei festgenommene französische Pressevertreter gab: Ein Fotoreporter und ein Journalismus-Student wurden freigelassen.
„Es gibt Gärtner des Terrorismus“
Erdogan erwiderte, die Türkei sei ein Rechtsstaat mit einer unabhängig arbeitenden Justiz. „Der Terrorismus begründet sich nicht allein“, so der türkische Präsident. „Es gibt Gärtner des Terrorismus, die wir als Ideengeber sehen. Sie drücken sich in ihren Zeitungen und Artikeln aus, es sind Terror-Ideologen.“ Diese gelte es zu bekämpfen.
Die in Paris ansässige Organisation Reporter ohne Grenzen beklagte hingegen eine „Repressions-Spirale“ in der Türkei, die zum „größten Gefängnis der Welt“ für Journalisten geworden sei: In gut einem Jahr wurden rund 150 Presseorgane geschlossen; 153 Medienvertreter seien inhaftiert, denen Verbindungen zu terroristischen Gruppen oder Komplizenschaft beim Putschversuch vorgeworfen werde. „Aber in der Praxis werden Kritik an der Regierung, die Arbeit für ein ,verdächtiges‘ Medienunternehmen, das Kontaktieren einer sensiblen Quelle von den Gerichten als Gründe angesehen, Journalisten zu inhaftieren, ohne irgendeine individuelle Beteiligung bei kriminellen Aktivitäten nachweisen zu müssen.“