Braucht die SPD einen beherzten Rechtsruck, um aus dem Jammertal herauszukommen – nach dem Vorbild von Dänemark? Es ist bezeichnend für die Verzweiflung in der deutschen Sozialdemokratie, dass nun eine so gefährliche wie sinnlose Debatte die nächste ablöst.
Je tiefer die SPD-Werte sanken in den vergangenen Monaten, umso lauter wurden die Stimmen, die forderten, die Partei müsse für den Erfolg weiter nach links rücken. Dabei blieben die Anhänger dieser These gute Argumente schuldig, warum dies so sein sollte. Nachdem die dänischen Sozialdemokraten nun mit einem strammen Rechtskurs stärkste Kraft bei den Parlamentswahlen wurden, kippt die Diskussion ins andere Extrem. Ex-Parteichef Sigmar Gabriel spricht sich wie Bundestagsvize Thomas Oppermann für eine striktere Migrationspolitik der SPD aus. Doch auch einen Rechtsschwenk nach Dänen-Manier braucht die Partei so dringend wie einen Wasserrohrbruch im Willy-Brandt-Haus.
Die Sozialdemokraten haben viel erreicht, das ist der Maßstab
Klar, die SPD hat auch an die AfD Wähler verloren. Aber auch an die Linke, die Grünen und die Union. Passiert ist das, weil sie nicht mehr integrieren kann. Weil der Partei der Kompass dafür abhandengekommen ist, für wen sie eigentlich Politik machen will. Ursprünglich war das einmal, sehr grob gesagt, der wirtschaftlich schwächere Teil der Bevölkerung – je nach Definition also eine ziemlich große Gruppe. Menschen, die etwa durch Arbeitslosigkeit wirklich arm sind, gehörten da zwar stets dazu. Die Hauptklientel der SPD bildeten aber Berufstätige, die hoffen konnten, dass sie und ihre Kinder es besser haben würden, wenn sie der SPD vertrauen.
Die Sozialdemokraten haben viel erreicht, daran werden sie gemessen. Umso deutlicher werden die Felder, in denen die SPD von heute keine überzeugenden Antworten findet. Dass sie die Flüchtlingspolitik von CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel mittrug, ist dabei nicht die Hauptursache für ihren Niedergang. Doch das Thema Migration spielt bei einigen Themen durchaus ein Rolle. Hartz IV etwa wird als ungerecht empfunden, weil es Menschen, die lange gearbeitet haben, die auch Eigentum aufgebaut haben, innerhalb weniger Jahre nach unten durchreicht. Und sie gleichstellt mit jenen, die nie in das Sicherungssystem eingezahlt haben, ob das nun Einheimische oder Zuwanderer sind.
Das Thema Zuwanderung gehört zu den Hausaufgaben der SPD
Die Begeisterung unter SPD-Funktionären auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszustroms wurde von vielen Bürgern mit Skepsis gesehen. Sie fürchten Zuwanderer als Konkurrenten um Jobs, Wohnungen und Sozialleistungen. Weil unter den Migranten junge Männer in der Mehrzahl sind – eine Gruppe, in der ungeachtet von Nationalität oder Hautfarbe Kriminalität gehäuft auftritt –, kommen Sorgen um die Sicherheit hinzu. Und in Ostdeutschland wären die Vorbehalte gegen Zuwanderer wohl weniger ausgeprägt, wenn nicht auch drei Jahrzehnte nach der Wende vielerorts noch große wirtschaftliche Probleme herrschen würden.
Sich langfristig auf vernünftige, menschliche, in der Praxis aber auch handhabbare Grundsätze in Sachen Zuwanderung zu einigen, ist nur eine von vielen Hausaufgaben der SPD. Dass auch in der Migrationspolitik Regeln notfalls hart durchgesetzt werden müssen, wie es Oppermann fordert, ist ohnehin eine Binsenweisheit. Für die Einhaltung von Gesetzen einzutreten, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Ein Rechtsruck aber im Sinne einer Politik, die nach Art der AfD gegen Zuwanderung und Migranten gerichtet ist, wäre der Partei, die sich einst Hitler in den Weg gestellt hat, nun wirklich nicht würdig.