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MÜNCHEN
Warum Deutschland wieder international präsent sein muss
Das Gespräch führte Simon Kaminski
 |  aktualisiert: 23.02.2018 03:04 Uhr

Horst Teltschik (77) machte in den 70er Jahren in der CDU Karriere. Von 1982 bis 1990 leitete der enge Vertraute des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl im Bundeskanzleramt die Abteilung für Außen- und Sicherheitspolitik. Später war er als Kohls nationaler Sicherheitsberater mit der Umsetzung der deutschen Einheit befasst. Nach seinem Ausscheiden aus der Regierungspolitik war Teltschik unter anderem als Manager tätig. Von 1999 bis 2008 leitete er die Münchner Sicherheitskonferenz.

Frage: Herr Teltschik, Sie haben von 1999 bis 2008 die Münchner Sicherheitskonferenz geleitet. Was hat sich verändert?

Horst Teltschik: Die Konferenz hat einen ganz anderen Charakter als zu meiner Zeit. Mein Nachfolger Wolfgang Ischinger lädt viel mehr Akteure aus der Wirtschaft ein. Es ist ein bisschen wie ein kleines Davos geworden. Aber jeder setzt seine eigenen Akzente.

Vor einem Jahr haben Sie beim Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump gesagt: „Er ist schwierig, wir werden sehen – das ist jetzt alles Herumstochern im Nebel.“ Hat sich für Sie der Nebel gelichtet?

Teltschik: Ach. Trump zu beschreiben, wird immer schwierig bleiben. Nach einem Jahr Amtszeit bleibt er in vielen Punkten unberechenbar. Europa muss sich endlich über die eigenen Ziele klar werden. Ziele, die dann in Washington gemeinsam energisch und möglichst überzeugend vertreten werden müssen. Ob das funktioniert, ist dann aber wieder kaum zu berechnen.

Schon beim Weltwirtschaftsforum in Davos war viel von einem Comeback Europas auf der diplomatischen Bühne die Rede. Ist das ein Pfeifen im Walde?

Teltschik: Zunächst einmal tut sich Europa schwer, wenn das wirtschaftlich stärkste Land im Herzen des Kontinents über viele Monate lediglich über eine geschäftsführende Regierung verfügt. Ganz Europa wartet auf Deutschland. Emmanuel Macron wartet seit langem auf eine Antwort auf seine umfassenden Ideen für eine neue EU. Immerhin steht nicht weniger als der zukünftige Kurs zur Disposition. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die EU von einer funktionierenden deutsch-französischen Zusammenarbeit abhängt.

Verschieben sich die Gewichte unter der neuen Regierung in Österreich nicht gerade Richtung Osteuropa?

Teltschik: Das sehe ich nicht so. Nicht nur der Europäische Rat hat ja bereits über ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten diskutiert. Auch Kanzlerin Merkel hat gesagt, dass es das im Prinzip ja bereits gibt. Wie bei der Währungsunion. Die Staaten, die nicht weiter vorangehen wollen, müssen dies zunächst nicht tun. Man sollte ihnen aber die Türen offenhalten, damit sie später folgen können.

In Ungarn oder auch Polen haben wir es aber doch gerade mit national-autoritären Regierungen zu tun, die eher antieuropäische Signale setzen.

Teltschik: Brüssel muss natürlich dafür sorgen, dass die Regeln eingehalten werden. Dennoch handelt es sich auch bei Polen oder Ungarn um Länder mit einer funktionierenden Demokratie.

Wird dort die Demokratie in einigen essenziellen Punkten nicht gerade eingeschränkt?

Teltschik: Auch dort können Regierungen abgewählt werden. Ich habe auch ein gewisses Verständnis für die Osteuropäer: Ihr Nationalbewusstsein hat ihnen geholfen, sich von der Herrschaft der Sowjetunion zu emanzipieren. Dann waren sie plötzlich frei. Das erste Ziel war, der EU beizutreten. Was sie damals noch nicht wahrhaben wollten, war, dass sie auch in der EU Teile ihrer Souveränität abgeben müssen. Aber ich bin optimistisch. Die Menschen dort sind selbstbewusst, es gibt wirtschaftliche Erfolge.

Ganz Deutschland jammerte über die quälenden GroKo-Verhandlungen. Doch darüber, dass über die Außenpolitik im Koalitionsvertrag kaum etwas steht, spricht fast keiner. Stört Sie das?

Teltschik: Das stört mich sogar enorm. Bei allen Erfordernissen, die EU-Reformen oder den Brexit einzuleiten – wir haben einen nach wie vor sehr gefährlichen, ungelösten Konflikt zwischen der Ukraine und Russland. In Syrien droht eine Konfrontation zwischen Israel und dem Iran. Die Flüchtlingsbewegung in Afrika Richtung Europa steht erst am Anfang. Und meine derzeit größte Sorge: Es droht ein neues Wettrüsten zwischen den USA, China und Russland, nachdem Washington angekündigt hat, Nuklearwaffen mit kleinen Sprengköpfen zu produzieren.

Das würde die Gefahr, dass Atomwaffen eingesetzt werden, deutlich erhöhen. In dem Koalitionsvertrag, der zugegeben mit 177 Seiten viel zu lang ist, findet sich davon kein Wort.

Noch einmal zu Trump. Beim Dinner in Davos hat Siemens-Chef Joe Kaeser dem US-Präsidenten zu seiner Steuerreform gratuliert. Ist die deutsche Industrie zu untertänig gegenüber einer Regierung, die dem Protektionismus huldigt?

Teltschik: Das sagt sich so leicht. Die großen deutschen Unternehmen wie Siemens oder die Großen der Autobranche sind Global Player. Kaeser vertritt die Interessen seines Unternehmens. Das hat er beim Dinner mit Trump frontal umgesetzt. Die Wortwahl mag ein wenig unglücklich gewesen sein. Ich würde Kaeser aber keinen Vorwurf machen. Manager sind eben keine Diplomaten.

Was erwarten Sie von der Sicherheitskonferenz?

Teltschik: Welchen Verlauf eine Sicherheitskonferenz in München nimmt, ist generell kaum vorhersehbar. Hochkarätige Gäste kommen oft unangekündigt in letzter Sekunde. Sicher ist immerhin, dass die USA mit ihrem Verteidigungsminister Mattis da sind, Netanjahu will kommen, Vertreter der Golfstaaten und des Irans werden erwartet.

Es sind fast alle da, wenn es um den Nahen Osten geht. Da kann es interessante Treffen in ungestörtem Rahmen geben.

 
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