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Berlin
Warum das deutsch-französische Verhältnis abgekühlt ist
Kanzlerin Merkel zofft sich offenbar mit dem französischen Präsidenten Macron. Eiszeit herrscht zwischen Deutschland und Frankreich aber noch nicht. Eine Analyse.
Wirklich begeistert blickte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande des G 7-Gipfels in Biarritz im Sommer nicht auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
Foto: Michael Kappeler, dpa | Wirklich begeistert blickte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande des G 7-Gipfels in Biarritz im Sommer nicht auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
Stefan Lange (51) ist neuer Leiter des Hauptstadtbüros unserer Zeitung. Zuvor arbeitete er als Teamleiter Politik im Berliner Büro von Dow Jones Newswires und dem Wall Street Journal. Lange ist seit 2001 in Berlin und hat dort unter anderem bei verschiedenen Nachrichtenagenturen gearbeitet. Davor war der gebürtige Friese zwölf Jahre lang als Volontär und Redakteur bei einer Tageszeitung in Jever beschäftigt.
Stefan Lange
 |  aktualisiert: 14.12.2019 02:11 Uhr

Hat sie nun oder hat sie nicht? Wenn es nach der „New York Times“ geht, dann hat Kanzlerin Angela Merkel den französischen Präsidenten Emmanuel Macron ordentlich ins Gebet genommen. Sie sei es leid, immer wieder die Scherben zusammenzukehren, die er hinterlassen habe, sagte die CDU-Politikerin demnach. Geht es nach Regierungssprecher Steffen Seibert, dann fielen bei dem Treffen keine bösen Worte. Also vom Grundsatz her. Völlig ausgeschlossen ist es nicht und es würde angesichts der derzeitigen Gemengelage zwischen Paris und Berlin durchaus Sinn machen.

Bei Tisch sollen harsche Worte gefallen sein

Es war am Tag nach den Feierlichkeiten zum Mauerfall-Jubiläum in Berlin. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte zum Abendessen geladen, und am Tisch fielen der „New York Times“ zufolge harsche Worte. „Ich verstehe Dein Bedürfnis nach disruptiver Politik“, sagte Merkel demnach zu Macron. „Aber ich bin es leid, die Scherben aufzukehren. Immer wieder muss ich die Tassen zusammenkleben, die Du zerbrochen hast, nur damit wir wieder zusammen sitzen und eine Tasse Tee trinken können“, zitiert die Zeitung. Merkel soll sich demnach auf Macrons Kritik an der Nato bezogen haben, die der Franzose kürzlich als „hirntot“ bezeichnete, sowie auf den Widerstand des Elysee-Palastes gegen die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien.

Steffen Seibert hielt sich zum Inhalt des Gesprächs bedeckt. „Das war natürlich vertraulich, und wie Sie wissen, berichten wir grundsätzlich nicht aus solchen vertraulichen Gesprächen“, erklärte er. Wobei man auf die Wortwahl aufpassen muss, denn „grundsätzlich“ bedeutet, dass die Regierung meistens nicht aus solchen Gesprächen berichtet – aber manchmal eben doch. Nämlich dann, wenn es den Regierungsinteressen dient. Und Seibert legte nach. „Ich kann Ihnen aber so viel sagen: In der Erinnerung der Bundeskanzlerin an diesen Abend gab es weder Klage, noch Wut, noch Streit.“ Allerdings gibt es gerade einige Differenzen zwischen den Regierungen in Deutschland und Frankreich. Die Nato und der Westbalkan sind nur zwei davon. Die Liste setzt sich fort mit unterschiedlichen Ansichten über Rüstungsexporte, mit Streit über den Einsatz autonomer Waffensysteme und hört mit der EU-Haushaltspolitik längst noch nicht auf.

Mit Nicolas Sarkozy konnte Merkel in den Jahren 2007 bis 2012 prima zusammenarbeiten. In der Finanzkrise rückten beide so eng zusammen, dass zwischen sie kein Euroschein mehr passte, der Name „Merkozy“ wurde kreiert. Mit Sarkozys Nachfolger, dem als „Flanby“, als Karamellpudding, verschmähten Francois Hollande, lief es schon nicht mehr so gut. Der Franzose blieb in seiner Politik vage, mit ihm konnte die deutsche Regierungschefin nicht viel anfangen. Und mit Macron?

Es gebe eben unterschiedliche Herangehensweisen an europäische Herausforderungen, sagt der Regierungssprecher: „Aber es gibt immer den Versuch – und der ist fast immer erfolgreich – einen gemeinsamen Weg, eine gemeinsame Lösung zu finden.“ Das ist das diplomatisch verpackte Eingeständnis, dass der deutsch-französische Motor, der immer noch Hauptantrieb der Europäischen Union ist, derzeit nicht rund läuft. Nach der Stichwahl in Frankreich und dem Sieg Macrons hatte Merkel ihre Freude über den „großartigen Wahlerfolg“ zum Ausdruck gebracht. Macron trage die Hoffnung von Millionen von Franzosen, aber auch von vielen Menschen in Deutschland und ganz Europa.

Die Abgeordneten übernehmen

Ob sich die Hoffnungen erfüllt haben? Die Abgeordneten auf beiden Seiten zündeten jedenfalls eine eigene Stufe der Zusammenarbeit. Sie gründeten im März dieses Jahres die deutsch-französische parlamentarische Versammlung auch in dem Wunsch, das Heft nicht nur den Regierungen zu überlassen. Jeweils 50 Abgeordnete des Bundestages und der französischen Nationalversammlung wollen Übereinstimmung in zentralen politischen Fragen anbahnen und eine parallele Umsetzung von politischen Vorhaben ermöglichen.

Vorsitzender auf deutscher Seite ist Unions-Fraktionsvize Andreas Jung, und der betonte im Gespräch mit dieser Redaktion, die deutsch-französische Zusammenarbeit sei „mehr als ein Regierungsabkommen“. Bei der politischen Großwetterlage zwischen Washington, Peking und Moskau müsse Europa mit einer Stimme sprechen. „Sonst werden wir den Wettbewerb um Werte und Wirtschaft nicht bestehen“, sagte der Konstanzer CDU-Abgeordnete. Gelingen könne das aber nur, „wenn Deutschland und Frankreich einig sind. Nur dann können wir mit unseren Partnern Europa voranbringen“.

Die gemeinsame Versammlung ist in Jungs Augen jetzt schon ein Erfolg. Sie habe „eine ambitionierte Umsetzung des Aachener Vertrags gefordert und eine gemeinsame Strategie für Künstliche Intelligenz angemahnt“. Im kommenden Jahr stünden Themen an wie Verteidigung und Sicherheit, Kultur und Wirtschaft. „Wir brauchen gemeinsame Initiativen, müssen zusammen Visionen entwickeln und diese mit unseren Partnern umsetzen“, sagte Jung. Eine davon sei eine gemeinsame Armee der Europäer.

 
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