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WASHINGTON
Warum Barack Obama nicht „Nigger“ sagen darf
reda
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:50 Uhr

Knapp eine Woche nach dem Amoklauf in einer afroamerikanischen Kirche im US-Bundesstaat South Carolina wird auch im konservativen Lager entschlossener über Rassismus diskutiert. Prominente Politiker trauen sich, nostalgische Traditionen in den Südstaaten zu hinterfragen; republikanische Präsidentschaftskandidaten geben zwielichtige Wahlkampfspenden zurück. Dann sagt der Präsident ein einziges Wort – und die Medienwelt steht kopf.

Marc Maron war schon erstaunt genug, dass sein Interview-Gast tatsächlich erschien: Bis zuletzt hatte der 51-jährige Comedian vergangene Woche gezweifelt, ob Barack Obama tatsächlich in seiner kalifornischen Garage auftauchen würde, um ein Interview aufzuzeichnen. Mit nationalen Schlagzeilen für seinen Podcast „WTF“ hatte er nicht gerechnet. Aber seit der Dialog am Montag online ging, ist das Format auch in traditionellen Medien bekannt.

Das Erbe von Sklaverei, Rassentrennung und Diskriminierung sei nicht über Nacht abzuschütteln, sagte der Präsident. „Da geht es nicht nur darum, dass es unhöflich ist, in der Öffentlichkeit ,Nigger‘ zu sagen. Das ist nicht der Maßstab dafür, ob Rassismus noch existiert oder nicht.“ Im Fernsehen geht es seither trotzdem kaum noch um etwas anderes. Der Präsident hat eines der schlimmsten Reizwörter des amerikanischen Vokabulars ausgesprochen, jenen Ausdruck, der gemeinhin nur als N-Wort bezeichnet wird. CNN befand sich am Dienstag im zweiten Tag der Dauerskandalisierung, obwohl die eingeladenen Schwarzen gebetsmühlenhaft den Kontext des Satzes betonten. Der stramm rechte Sender Fox News rügte Obamas Ausdrucksweise als unpräsidial und spalterisch: „Wir haben den Rassismus überwunden“, erklärte ein afroamerikanischer Kommentator dort.

Der farbige Bürgerrechtler Al Sharpton dagegen sagte, die Reaktionen seien teilweise rassistisch: „Sie reden darüber, als sei es etwas, das man nicht diskutieren darf.“ Noch in der Berichterstattung wurde der Ausdruck in Obamas Zitat zensiert. Selbst die Konservativsten können dem Thema aber nicht mehr ausweichen. Während South Carolinas republikanische Gouverneurin Nikki Haley und Politiker beider Parteien sich seit Montag darum bemühen, die Konföderiertenflagge vor dem Kapitol in der Hauptstadt Columbia abzuhängen, kommt es auch in anderen Südstaaten zu kritischer Selbstbefragung.

Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses in Mississippi rief dazu auf, das Konföderiertensymbol von der Flagge des Bundesstaats zu nehmen. In Tennessee forderten Abgeordnete parteiübergreifend die Entfernung einer Büste, die einen früheren Konföderiertengeneral und Ku-Klux-Klan-Anführer zeigt. Die Supermarktkette Wal-Mart erklärte, künftig keine Waren mit dem Abbild der Konföderiertenflagge mehr zu verkaufen. Mehrere republikanische Präsidentschaftskandidaten gaben Wahlkampfspenden des Vorsitzenden einer Suprematistengruppe zurück, die den mutmaßlichen Attentäter Dylann R. beeinflusst haben soll.

Obama selbst will sich am Freitag erneut äußern. Er wird in Charleston die Trauerrede auf Reverend Clementa Pinckney halten, der am vergangenen Mittwoch zusammen mit acht weiteren Gläubigen in der historischen Schwarzenkirche Emanuel AME erschossen wurde.

 
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