Nur wenige Griffe, und die Splitterschutzweste sitzt. So militärisch wie an diesem Mittwochmorgen auf dem Flugfeld von Masar-i-Scharif hat man Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen noch nicht gesehen. Bei ihrem ersten Afghanistan-Besuch vor sieben Monaten blieb sie noch in den sicheren Mauern des Hauptquartiers der internationalen Schutztruppe Isaf in Nordafghanistan.
Diesmal kommt sie nicht umhin, den zehn Kilogramm schweren Oberkörperpanzer mit Flecktarn-Muster überzuziehen. Zum ersten Mal geht es für sie raus aus dem Feldlager, zu den afghanischen Verbündeten im Camp Shaheen. Ein 50 Jahre alter, mit drei Maschinengewehren bewaffneter Bundeswehr-Hubschrauber vom Typ CH-53 bringt sie in 15 Minuten dorthin. Eigentlich ist auch bei solch kurzen Transfers ein Stahlhelm Pflicht. Den lässt von der Leyen aber weg.
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist weiter angespannt. Alleine in den vergangenen Tagen kamen mehr als 70 Menschen bei Angriffen und Anschlägen der Taliban ums Leben. Die spektakulärste Aktion der islamistischen Rebellen: In der Hauptstadt Kabul griff ein Selbstmordkommando den Flughafen mit Panzerfäusten und Raketen an.
Es gibt aber auch Hoffnungsschimmer: Die Zahl der Anschläge und Angriffe sank in den ersten vier Monaten des Jahres nach einer afghanischen Statistik von 8100 auf 6800. Dabei wurden 1048 afghanische Soldaten und Polizisten getötet und damit rund 200 weniger als im Vorjahreszeitraum. Die Isaf registrierte 510 getötete Zivilisten im Vergleich zu 670 von Januar bis April 2013.
Die militärische Hilfe für die Afghanen wird in den nächsten Monaten noch schneller als bisher zurückgefahren. Der Kampfeinsatz der Nato, an dem sich jetzt noch 50 000 Soldaten aus 46 Ländern beteiligen, läuft im Dezember nach 13 Jahren aus. Dann soll eine Ausbildungsmission mit 12 000 Soldaten folgen, darunter 800 Deutsche.
Die meisten der 2400 deutschen Soldaten, die jetzt noch in Masar-i-Scharif und Kabul sind, beschäftigen sich mit dem Abzug von Truppen und Gerät. 80 Prozent des Materials, das die Bundeswehr wieder nach Hause schaffen will, wurde bereits abtransportiert. Der Kampfeinsatz wird fast nur noch auf dem Papier geführt.
Angesichts neuer gefährlicher Krisen von der Ostukraine bis zum Gaza-Streifen nimmt die deutsche Öffentlichkeit immer weniger Notiz von der Mission am Hindukusch. Und auch die Politik interessiert sich nicht mehr ganz so stark wie früher dafür. Dennoch verspricht von der Leyen, sich dafür einzusetzen, dass der Einsatz auch nach dem Abzug der internationalen Truppen nicht in Vergessenheit gerät. „Es zählt auch zu unseren politischen Aufgaben, die Aufmerksamkeit weiter auf Afghanistan zu lenken.“