Nach nur drei Monaten steht der Korruptionsprozess gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff unmittelbar vor dem Ende. Bereits am Donnerstag erwartet das Landgericht Hannover die Plädoyers von Verteidigung und Staatsanwaltschaft. Nur eine Woche später soll das Urteil fallen, und alles andere als ein Freispruch wäre eine Überraschung. Wulffs Anwälte sind sich sicher: Für die vorgeworfene Vorteilsannahme lieferten die bisherigen zwölf Verhandlungstage keine Beweise, weder durch die 26 befragten Zeugen noch durch verlesene Hotelrechnungen, E-Mails oder Akten. Vieles deutet auf ein Urteil getreu dem Grundsatz „in dubio pro reo“ hin: im Zweifel für den Angeklagten.
Auch wenn das Gericht betont, eine Entscheidung sei noch nicht gefallen, mehrten sich in den vergangenen Wochen die Anzeichen für den von Wulff seit dem 14. November geforderten Prozessausgang. Die in der Anklage formulierte „Unrechtsvereinbarung“ zwischen Wulff und dem mitangeklagten Filmfinancier David Groenewold rund um den Oktoberfestbesuch 2008 sei „möglich, aber nicht zwingend“, sagt Richter Frank Rosenow am 6. Februar. Seine Anmerkungen zu einem kurz zuvor abgelehnten Beweisantrag der Staatsanwaltschaft wirkten für viele Zuhörer im Saal 127 wie ein vorweggenommenes Urteil.
Es gebe nach wie vor Zweifel daran, dass Wulff nur wegen teilweiser Übernahme der Kosten für Hotel, Essen und Babysitter durch Groenewold bei der Siemens-Spitze um Unterstützung für dessen Film „John Rabe“ geworben habe, betonte Rosenow. Vielmehr habe es schon vorher ein persönliches Interesse von Wulff an dem Thema gegeben. Gegen den Vorwurf sprächen auch zahlreiche Zeugenaussagen, die Wulff und Groenewold „schon lange“ eine „intensive Freundschaft“ bestätigen.
Ohnehin habe Wulff keinen echten Vorteil infolge der Übernahme von rund 720 Euro durch Groenewold gehabt. Er hätte sich die Kosten wegen dienstlicher Termine an dem München-Wochenende sowohl von der CDU als auch der niedersächsischen Staatskanzlei zurückerstatten lassen können. Die Schlussfolgerung für eine Unrechtsvereinbarung, und damit für eine Verurteilung, sei daher nicht zwingend.
Theoretisch könnte Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer zwar vor der geplanten Schließung der Beweisaufnahme am Donnerstag zum dritten Mal neue Beweisanträge stellen und damit auf eine Verhandlungsfortsetzung hoffen. Die Chancen dafür werden aber sogar in der Behörde inzwischen als „gegen null tendierend“ eingeschätzt. Dies gilt auch für einen möglichen Befangenheitsantrag gegen Rosenow, der während des Prozesses in seiner Verhandlungsführung durchaus aufs Tempo drückte.
Das Verhältnis zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft ist aber auch so schon vergiftet genug, wie die immer lauteren Streitereien im Gerichtssaal belegen. Zuletzt drohte Rosenow gar mit dem Abbruch des Verfahrens, weil Eimterbäumer wiederholt neue Anträge stellte.
Der Jurist Wulff dürfte wissen, dass er sich noch nicht zu laut freuen kann. Denn wie in Prozessen üblich wird die unterlegene Partei, in Falle eines Freispruchs also die Staatsanwaltschaft, genau prüfen, ob sie das Urteil anfechten kann. Eine Revision am Bundesgerichtshof hätte die Folge, dass Wulff auf die von ihm „ersehnte Ruhe“ für einen Neuanfang noch warten müsste. Denn dann müsste das gesamte Verfahren erneut aufgerollt werden.