Carlo De Benedetti ist nicht nur einer der einflussreichsten Verleger Italiens. Der Herausgeber der linken Zeitung „La Repubblica“ ist der publizistische Gegenspieler des Medienunternehmers Silvio Berlusconi. Im Gegensatz zu Berlusconi hält sich De Benedetti meist aber im Hintergrund und zieht von dort seine Fäden. Das war offenbar auch im August 2011 der Fall, wenige Monate vor dem Rücktritt Silvio Berlusconis als Ministerpräsident. De Benedetti empfing damals seinen Freund Mario Monti in seinem Haus in Sankt Moritz.
„Wir diskutierten, ob er das Angebot annehmen sollte und zu welchem Zeitpunkt“, zitiert nun der renommierte US-Journalist Alan Friedman den Verleger. Das damalige „Angebot“, das Staatspräsident Giorgio Napolitano dem früheren EU-Kommissar Monti gemacht hatte, versetzt zahlreiche Protagonisten der italienischen Politik in helle Aufregung. Denn offenbar wurde bereits sechs Monate vor Silvio Berlusconis Rücktritt als Ministerpräsident im November 2011 fern der Öffentlichkeit dessen Nachfolge geregelt.
Schon im Juni, so bestätigte Monti selbst, habe er von Napolitano entsprechende „Signale“ bekommen. Man mag zum inzwischen rechtskräftig als Steuerbetrüger verurteilten Berlusconi stehen, wie man will. Ein Szenario, wie es Friedman in einem Artikel für die Financial Times skizziert hat, wirft Fragen auf. Der eigentliche Protagonist des geheimen Manövers, so Friedman, sei Giorgio Napolitano.
Enthebungsverfahren abgelehnt
Ihm wird vorgeworfen, den rechtmäßig gewählten Ministerpräsidenten Berlusconi durch den nicht per Wahl legitimierten Technokraten Monti ersetzt zu haben. Ob Napolitano mit seiner Sondierung ein halbes Jahr vor Berlusconis Rücktritt die Kompetenzen seines Amtes überschritten hat, ist unklar. Am Dienstag lehnte eine Mehrheit im zuständigen Parlamentsausschuss den Antrag auf ein Amtsenthebungsverfahren ab, das die Protestbewegung „Movimento 5 Stelle“ (M5S) eingebracht hatte.
Das M5S gehört neben Silvio Berlusconis Partei Forza Italia zu den stärksten Kritikern Napolitanos. „König Giorgio“ nennt etwa der M5S-Chef und Komiker Beppe Grillo Napolitano in Anspielung auf seine vermeintlich monarchische Amtsführung und spricht von einem „Komplott“. Der Staatspräsident wies die Vorwürfe in einer Erklärung zurück. Die damalige Regierungsmehrheit sei schon seit Monaten in Auflösung begriffen gewesen.
Lösung nach 24 Stunden
Vertreter der Berlusconi-Partei stellten wiederholt fest, Deutschland und Frankreich hätten auf den Rücktritt Berlusconis gedrängt. Immer wieder wird im Berlusconi-Lager auch behauptet, Kanzlerin Angela Merkel habe die deutschen Banken angewiesen, italienische Staatsanleihen zu verkaufen und so Berlusconis Rücktritt forciert. Tatsache ist, dass Napolitano Monti 24 Stunden nach dem Rücktritt Berlusconis als Ministerpräsident das Mandat zur Bildung einer neuen Regierung gab.
Als erster italienischer Staatspräsident trat der 88-jährige Napolitano im April 2013 eine zweite Amtszeit an. Bei seinen Befürwortern gilt der Ex-Kommunist als Garant für das Funktionieren der italienischen Institutionen, die sich in den vergangenen Jahren immer wieder entscheidungsunfähig gezeigt haben.