Große Worte sind ihre Sache eigentlich nicht. Bildungs- und Forschungsministerin Johanna Wanka von der CDU, promovierte Mathematikerin und einst Professorin für Ingenieurmathematik an der Hochschule Merseburg, bevorzugt die leisen Töne und den nüchternen Auftritt. Doch nach der Sitzung des Bundeskabinetts am Mittwoch gibt sie sich ungewöhnlich pathetisch. Ausdrücklich rühmt sie „die neue Qualität der Kooperation“ zwischen dem Bund und den Ländern, spricht von einem „Aufbruch“ in der Bildungspolitik und kommt zu dem Schluss: „Das ist ein guter Tag für den Wissenschaftsstandort Deutschland.“
Johanna Wanka hat allen Grund, zufrieden zu sein. Im zweiten Anlauf will sie durchsetzen, was ihre hochgelobte Vorgängerin Annette Schavan, die im Februar vergangenen Jahres wegen Plagiatsvorwürfen zurücktreten musste, wegen des Widerstandes der Länder im Bundesrat nicht erreichen konnte – die Aufhebung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich, die 2006 in den Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern über eine Reform des Föderalismus in das Grundgesetz aufgenommen worden war. Seitdem hat der Bund in Bildungsfragen nichts zu sagen.
Am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf der Bildungsministerin zur Änderung des Grundgesetzes. Demnach soll der Bund künftig komplette Hochschulen, einzelne Hochschulinstitute oder Institutsverbünde sowie Forschungsvorhaben von „überregionaler Bedeutung“ langfristig, dauerhaft und institutionell fördern können. Eigene Bundesuniversitäten soll es allerdings nicht geben. „Es ändert sich nichts an der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder“, sagt Wanka nach der Kabinettssitzung. Der Gesetzentwurf schaffe die Voraussetzungen dafür, den deutschen Bildungsföderalismus modern und zukunftsfähig zu gestalten.
Damit das Grundgesetz geändert werden kann, sind allerdings Zwei-Drittel-Mehrheiten im Bundestag wie im Bundesrat notwendig. Im Bundestag ist diese Mehrheit gesichert, die Große Koalition kommt auf 80 Prozent. In der Länderkammer hingegen haben Union und SPD keine Mehrheit und sind auf die Zustimmung der rot-grünen Länder sowie des schwarz-grünen Hessen und des grün-roten Baden-Württemberg angewiesen. Sie sei im Gespräch mit den Ländern und „höre Unterschiedliches“, sagt Wanka, gleichwohl sei sie zuversichtlich, dass die Verfassungsänderung am 19. Dezember im Bundesrat abschließend verabschiedet werden könne. Das Problem: SPD und Grüne fordern eine Lockerung des Kooperationsverbots nicht nur für den Hochschulbereich, sondern auch für die gesamte Bildungspolitik, also auch die Schulen. Dies lehnen wiederum CDU und CSU ab.
Johanna Wanka hat allerdings einen Trumpf in der Hand – die geplante BAföG-Reform. Bund und Länder haben sich kürzlich geeinigt, dass der Bund künftig die Kosten für das BAföG komplett übernimmt, die Länder würden auf diese Weise bis zum Jahr 2017 um rund 3,5 Milliarden Euro entlastet. Bei einem Scheitern der Verfassungsänderung wäre auch diese Entlastung hinfällig, deutet die Bildungsministerin an. „Die Parteivorsitzenden haben ein Gesamtpaket verabredet“, sagt sie, „BAföG-Novelle und Grundgesetzänderung gehören zusammen.“
Gegenwärtig kann der Bund nur außeruniversitäre Einrichtungen wie die Max-Planck-Gesellschaft oder die Helmholtz-Forschungseinrichtungen fördern, während Universitäten nur in Form von thematisch und zeitlich begrenzten Projekten wie der Exzellenzinitiative oder dem Hochschulpakt unterstützt werden können. Wegen der Vorgaben der Schuldenbremse haben etliche Länder im Hochschulbereich strikte Sparprogramme aufgelegt und die Mittel für ihre Universitäten gekürzt.
Mit der Änderung des Grundgesetzes könne der Bund den Ländern entgegenkommen und beispielsweise Institute oder Einrichtungen mit hoher wissenschaftlicher Relevanz ganz oder teilweise übernehmen, lockt Wanka. Zudem könnten Bund und Länder die Kooperationen von Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen einfacher und effizienter unterstützen.