Der Abzug der meisten israelischen Bodentruppen aus dem Gazastreifen weckt Hoffnungen auf ein baldiges Ende der blutigen Offensive. Mit der Zerstörung aller 31 im Grenzgebiet gefundenen Tunnel hat Israel zwar eines seiner Kriegsziele erreicht – nicht jedoch das Hauptziel, die Raketenangriffe auf israelische Ortschaften zu unterbinden. Ohne eine klare Entscheidung im Kräftemessen mit der Hamas und ohne Einigung auf eine Waffenruhe fürchten viele Beobachter in Israel nun einen „Zermürbungskrieg“ mit der radikal-islamischen Organisation – vor allem mit einem Abtausch von Luftschlägen und Raketenangriffen. Israel hat den militanten Palästinenserorganisationen ohne Zweifel schweren Schaden zugefügt.
Es ist der Hamas auch nicht gelungen, ihre wichtigsten Ziele durchzusetzen – eine Aufhebung der Blockade und Beendigung der Finanzkrise. Die Hamas-Führungsriege bleibt jedoch unangetastet. Und die Organisation verfügt nach Schätzungen weiterhin über rund 3000 Raketen, etwa ein Drittel ihres ursprünglichen Arsenals. Ob es kritische Fragen der eigenen Bevölkerung nach dem Preis dieses „Siegs“ geben wird, ist noch offen.
Anlass dafür gäbe es reichlich: humanitäre Krise, eine Viertelmillion Flüchtlinge, weite Teile Gazas liegen in Schutt und Asche, mehr als 1800 Tote und knapp 10 000 Verletzte.
Doch wie geht es weiter? In einem überraschenden Schritt hat Israel nach dem Scheitern der von den USA und den UN vermittelten Waffenruhe seine Bodentruppen einseitig aus dem Großteil des Gazastreifens abgezogen. „Israel hat entschieden, der Hamas eine Veto-Macht über Waffenruhen zu verweigern und wieder die Initiative übernommen“, schrieb Amos Jadlin vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) bei Tel Aviv in einer Einschätzung der Lage. Damit habe der jüdische Staat klar gemacht, „dass er nicht mit der Hamas verhandelt und ihr keinen Erfolg gewährt, weder hinsichtlich einer Waffenruhe noch einer Vereinbarung“. Ein Kommentator der Zeitung Haaretz schrieb allerdings am Montag, der Weg zu einer dauerhaften Waffenruhe-Vereinbarung beider Seiten stehe immer noch offen. „Er führt durch Kairo, wo indirekte Verhandlungen stattfinden“, schrieb er. Mit oder ohne Einigung will Israel einen Wiederaufbau des zerstörten Gazastreifens an die Forderung nach einer Entmilitarisierung des schmalen Küstenstreifens und einer Entwaffnung der militanten Gruppierungen knüpfen. Die Chefunterhändlerin Zipi Livni hat sich zum ersten Mal auch für einen Sturz der Hamas ausgesprochen. „Wir haben eine Gelegenheit für einen politischen Wandel“, sagte Livni. Dies halten viele jedoch für illusorisch. Israelische Militärs haben erklärt, eine von rechten Ministern geforderte Wiedereroberung des Gazastreifens würde bis zu zwei Wochen dauern, eine Zerschlagung der militanten Organisationen jedoch ein bis zwei Jahre. Israel ist gegenwärtig nicht dazu bereit, den dafür notwendigen hohen militärischen und politischen Preis zu zahlen. Damit wird eine geschwächte Hamas vermutlich weiter an der Macht bleiben.
In Israel selber wächst die Angst vor Racheakten: Erstmals seit Beginn des Gaza-Kriegs hat es am Montag einen tödlichen Anschlag gegeben. Ein palästinensischer Attentäter rammte in Jerusalem mit seinem Bagger einen städtischen Autobus, der umstürzte. Ein Passant, den der Bagger überfuhr, wurde getötet. Polizisten erschossen den Attentäter, einen Palästinenser aus Ost-Jerusalem.