„Ich weiß nicht, wer diese Schlacht gewonnen hat, aber ich weiß, wer sie verloren hat.“ Nicht nur Jean-François Copé, dem Chef von Frankreichs konservativer Oppositionspartei UMP, schien als Kommentar zu den gestrigen Kommunalwahlen ein Zitat des Marschalls Joseph Joffre passend, der im Ersten Weltkrieg bei der verlustreichen Schlacht an der Marne den Vormarsch der Deutschen stoppen konnte.
Denn beim Kampf um die Mobilisierung der französischen Wähler erhielten in erster Linie die regierenden Sozialisten eine schallende Ohrfeige. Zugleich wirkte auch keine der anderen Parteien wirklich siegreich angesichts einer Stimmenthaltung, die gestern sogar noch höher ausfiel als bei der ersten Runde der Kommunalwahlen vor einer Woche, wo sie bei fast 40 Prozent lag.
Wahl von nationaler Tragweite
Die Diagnose für die Gründe war dieselbe geblieben: Eine massive Abwendung der Menschen von den Sozialisten und Präsident François Hollande, dessen Beliebtheitswerte auf einem Rekordtief vor sich hindümpeln, bei gleichzeitiger Enttäuschung von der bürgerlichen UMP, verlieh den lokalen Wahlen eine Bedeutung von nationaler Tragweite.
Erst in dieser Woche wurden die aktuellen Arbeitslosenzahlen mit einem neuen Rekord von 3,2 Millionen Menschen ohne Jobs veröffentlicht. Das lastet auf Hollandes Bilanz. Und so jubelte die UMP zwar darüber, den Sozialisten zahlreiche Städte und Gemeinden abgenommen zu haben, wenn Ex-Premierminister François Fillon auch bereits im Vorfeld davor gewarnt hatte, „aus einem Schrei der Wut und Verzweiflung Ruhm zu ziehen“.
Damit hatte wiederum Marine Le Pen, Chefin des Front National, kein Problem, die anders als ihr Vater, Parteigründer Jean-Marie Le Pen, den zügigen Aufbau lokaler Strukturen vorantreibt. Die Rechtspopulistin zeigte sich sehr zufrieden über hohe Ergebnisse nicht nur in traditionellen Bastionen der Partei im Nordosten des Landes, im Elsass und in der Provence, sondern auch Regionen wie der Bretagne oder dem Südwesten, in denen der Front National bislang schwach vertreten war. War er wegen des Mangels an Kandidaten insgesamt nur in rund sechs Prozent aller französischen Kommunen angetreten, gelang mit dem Sieg des Rathauses im nordfranzösischen Hénin-Beaumont bereits beim ersten Durchgang mit 50,2 Prozent der Stimmen ein wichtiger sichtbarer Erfolg; und es dürfte nicht nur bei diesem bleiben.
Abstrafung durch die Wähler
Die Sozialisten, die sich wohl zu Unrecht Hoffnung auf das Erobern der zweitgrößten Stadt Marseille gemacht hatten, setzten darauf, wenigstens Paris zu behalten, wo sich Anne Hidalgo, bisherige Stellvertreterin des scheidenden Bürgermeisters Bertrand Delanoë, einen rabiaten Kampf mit der Konservativen Nathalie Kosciusko-Morizet, Sarkozy früherer Umweltministerin, geliefert hatte. Doch gemäß dem oft wiederholten Motto „Paris ist nicht Frankreich“ wird erwartet, dass Hollande Konsequenzen aus der Abstrafung durch die Wähler zieht: Eine umfassende Regierungsumbildung soll unmittelbar bevorstehen, die eine Verkleinerung des 38 Minister zählenden Kabinetts vorsieht, um „schneller voranzuschreien und effizienter zu werden“.
Auch Premierminister Jean-Marc Ayrault könnte ausgetauscht werden, der zwar als loyal und guter Verwalter gilt, dem aber mangelndes Charisma und fehlende Resultate vorgeworfen werden. Wie radikal der Umbau an der Staatsspitze sein wird, so hieß es aus dem Umfeld der Sozialisten, werde „vom Ausmaß der Klatsche“ abhängen.