
Der irische Billigflieger Ryanair wittert bei der Insolvenz von Air Berlin ein „Komplott“ zwischen der Bundesregierung und deutschen Fluggesellschaften. Die Iren reichten deshalb beim Bundeskartellamt und bei der EU-Wettbewerbskommission Beschwerden gegen eine mögliche Übernahme Air Berlins durch die Lufthansa ein.
„Diese künstlich erzeugte Insolvenz ist offensichtlich aufgesetzt worden, damit Lufthansa eine schuldenfreie Air Berlin übernehmen kann und dies widerspricht sämtlichen Wettbewerbsregeln von Deutschland und der EU“, erklärte der Billigflieger auf seiner Internetseite. Air Berlin hatte am Dienstag Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt, der Flugbetrieb ist durch einen Kredit des Bundes über 150 Millionen Euro noch für etwa drei Monate – vermutlich bis zum November – gesichert.
Ryanair nennt den Kredit, bei dem es sich um Garantien der Kreditanstalt für Wiederaufbau handelt, eine unerlaubte staatliche Beihilfe. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union schränkt staatliche Beihilfen stark ein, wenn der freie Wettbewerb dadurch nicht mehr gewährleistet ist. Allerdings lässt das Dokument auch Ausnahmen zu. Wenn eine Förderung mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, kann die Kommission der Zahlung zustimmen. Übersteigt eine Beihilfe die Grenze von 150 Millionen Euro, ist eine Anmeldung bei der Brüsseler Kommission nötig.
Die Garantie der Bundesregierung für Air Berlin war mit Brüssel abgesprochen. Eine Sprecherin der EU-Verwaltung bestätigte am Mittwoch, dass ihre Behörde informiert wurde. Insofern hat die Bundesregierung den korrekten Weg eingehalten. Dennoch reichte die Konkurrenz Klage ein.
Die Antwort: „Beschwerden von Wettbewerbern haben keine aufschiebende Wirkung“, betonte die Kommissionssprecherin am Mittwoch. Das heißt: Wenn die Kommission von der Beihilfe informiert wurde, stehen die Finanzen auch zur Verfügung. Allerdings wird die Zahlung noch genau unter die Lupe genommen, bevor ein endgültiger Bescheid erteilt wird. Das könne bis zu zwei Monate dauern.
Schon zweimal hat die Kommission tatsächlich in die Sanierung einer Airline eingegriffen. 2015 forderte die EU-Verwaltung die Regierung von Estland auf, einen bereits gewährten Kredit über 80 Millionen Euro von der wackelnden Fluggesellschaft Estonian Air zurückzuholen und ein weiteres Darlehen über 40 Millionen zu stoppen. Auch bei der geplanten Sanierung der Cyprus Air bestand Brüssel darauf, die notwendigen 100 Millionen Euro nicht aus der Staatskasse zu zahlen. Andererseits hat die EU bei der Sanierung der italienischen Airline Alitalia staatliche Hilfen gebilligt.
Experten gehen davon aus, dass es im Fall von Air Berlin keine größeren Schwierigkeiten gibt. Zum einen wurde die Beihilfe ordnungsgemäß angemeldet. Zum anderen wäre der Schaden für die Urlauber und andere Fluggäste, die ihre Reisen längst gebucht haben, unübersehbar gewesen. Vorerst behalten alle Tickets für Air-Berlin-Flüge ihre Gültigkeit.
Zum Dritten ist die Garantie der Bundesregierung zeitlich befristet, verändert den Wettbewerb also nicht dauerhaft. Und außerdem entspricht die Höhe der gewährten Unterstützung einer kurzfristigen Überbrückung, um das Fluggeschäft nicht sofort zusammenbrechen zu lassen. Das alles sind Kriterien, die die Kommission anlegen wird.
Würden die EU-Behörden dennoch ein Veto einlegen, müsste die Bundesregierung ihre Garantien sofort stoppen und ausgezahlte Darlehen unmittelbar zurückfordern. Der Flugbetrieb von Air Berlin käme dann praktisch von einem Tag auf den anderen zum Erliegen. Mit Informationen von dpa