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BERLIN
Votum gegen organisierte Sterbehilfe
Bundestag       -  Gewissensentscheidung: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (Mitte) wirft im Bundestag bei der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Sterbehilfe seine Stimmkarte in eine Urne.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa | Gewissensentscheidung: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (Mitte) wirft im Bundestag bei der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Sterbehilfe seine Stimmkarte in eine Urne.
reda
 |  aktualisiert: 17.11.2015 03:34 Uhr

Michael Brand kann sich vor Glückwünschen kaum retten. Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) stürmt auf den jungen hessischen CDU-Abgeordneten zu und herzt ihn, Gesundheitsminister Herrmann Gröhe (CDU) klopft ihm auf die Schulter, sein Fraktionschef Volker Kauder gratuliert ihm und sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel schüttelt ihm die Hand.

Denn Brand, der in wenigen Tagen 42 wird und seit zehn Jahren den Wahlkreis Fulda im Bundestag vertritt, hat geschafft, was selbst Anhänger und Unterstützer so nicht erwartet haben: In mühevoller Überzeugungsarbeit hat er zusammen mit der Sozialdemokratin Kerstin Griese, dem Grünen Harald Terpe, der Linken Kathrin Vogler und weiteren Unterstützern aus allen Fraktionen einen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Sterbehilfe in Deutschland erarbeitet, der bei der Abstimmung im Bundestag am Freitag schon im ersten Anlauf so viele Stimmen erhält, dass keine Mehrheit mehr gegen ihn möglich ist.

Am Ende votieren von 602 Abgeordneten 360 für sein Ansinnen, die geschäftsmäßigen Sterbehilfevereine in Deutschland mithilfe einer Verschärfung des Strafrechts zu verbieten, 233 Abgeordnete votieren mit Nein, neun enthalten sich. Ein Antrag, auf eine Neuregelung zu verzichten und alles beim Alten zu belassen, muss erst gar nicht mehr zur Abstimmung gestellt werden.

Bis zuletzt haben Brand und seine Mitstreiter um Unterstützung geworben, bei Kollegen, die noch unentschlossen waren, angerufen und vor den Folgen eines Scheiterns gewarnt. In einer ungewöhnlich ernsthaften, teilweise emotionalen, oft auch sehr persönlichen Debatte ohne Fraktionszwang, die drei Stunden und elf Minuten dauert, wirbt Brand mit einem eindringlichen Appell um das Verbot der gewerbsmäßigen Sterbehilfevereine. Es sei nötig, Menschen vor „unlauteren Angeboten“ zur Suizidbeihilfe zu schützen und sie in scheinbar aussichtsloser Lage zu stärken. „Es geht auch um den Schutz von Menschen vor gefährlichem Druck.“ Den Vorwurf der Gegenseite, sein Entwurf kriminalisiere Ärzte, die Beihilfe zum Suizid leisten, weist er entschieden zurück.

Genau dies aber stellt sein Parteifreund, Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU), der mit Abgeordneten von Union, SPD und Grünen einen eigenen Gesetzentwurf erarbeitet hat, in den Mittelpunkt. Eine Verschärfung des Strafrechts sei nicht der richtige Weg, es sei mit dem Rechtsstaat nicht vereinbar, Tausende verantwortungsvolle Ärzte mit Strafe zu bedrohen, nur um einen Scharlatan zu erwischen. „Wir wollen, dass am Sterbebett nicht Staatsanwälte stehen, sondern Angehörige und Ärzte.“

Renate Künast von den Grünen, die zusammen mit Petra Sitte von der Linken und anderen Abgeordneten zwar gewerbsmäßige Sterbehilfevereine verbieten, organisierte Suizidbeihilfe ohne Gewinnabsicht hingegen erlauben will, verweist darauf, dass viele Menschen sagen: „Der Staat soll sich da heraushalten, wie ich gehe.“ Die frühere Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) wirbt hingegen dafür, alle vier Gesetzentwürfe abzulehnen, da die bestehenden Regelungen ausreichend seien. Jeder dieser Gesetzentwürfe werde eine Klage nach sich ziehen, drei hätten sogar verfassungsrechtliche Mängel.

Gesundheitsminister Gröhe (CDU), die Sozialdemokratinnen Kerstin Griese und Eva Högl sowie die Linke Halina Wawzyniak sprechen sich hingegen für ein Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfevereine aus. Nur mithilfe einer Verschärfung des Strafrechts sei es möglich, diesen Vereinen das Handwerk zu legen. „Der Tod darf nicht zum Dienstleistungsangebot werden.“ Und so sieht es am Ende der Debatte auch eine Mehrheit der Abgeordneten.

So stimmten die mainfränkischen Abgeordneten ab

Bei der namentlichen Abstimmung zur Sterbehilfe im Bundestag war der Fraktionszwang aufgehoben. Die mainfränkischen Abgeordneten unterstützten in der Mehrheit den letztlich angenommenen Gesetzentwurf, der geschäftsmäßige Sterbehilfe verbietet.

Mit Ja für diesen sogenannten Brand/Griese-Vorschlag stimmten Dorothee Bär (CSU, Bad Kissingen), Alexander Hoffmann (CSU, Main-Spessart), Paul Lehrieder (CSU, Würzburg), Andrea Lindholz (CSU, Aschaffenburg), Bernd Rützel (SPD, Main-Spessart), Nina Warken (CDU, Main-Tauber) und Anja Weisgeber (CSU, Schweinfurt).

Mit Nein gegen alle vier Vorschläge zur Neuregelung der Sterbehilfe votierten Sabine Dittmar (SPD, Bad Kissingen) und Klaus Ernst (Die Linke, Schweinfurt). Beide sahen keinen Bedarf für ein neues Gesetz. Text: Micz

 
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