Die Debatte um den Umgang mit dem Dachverband der türkischen Moscheegemeinden in Deutschland (Ditib) nimmt an Schärfe zu. Den Vorwurf führender Politiker von CDU/CSU und SPD, die Organisation sei ein „Sprachrohr“ von Präsident Recep Tayyip Erdogan und vertrete dessen Politik in Deutschland, wies der Verband entschieden zurück. Diese Anschuldigungen seien „tendenziös, in einigen Teilen gar offen feindselig und in jedem Fall ohne Bezug zu unserer tatsächlichen Arbeit“, hieß es in einer Erklärung aller 15 Ditib-Landesverbände. Die Berichterstattung über die Türkei nach dem Putschversuch werde instrumentalisiert und „in unzulässiger Weise auf die Ditib-Gemeinden projiziert“. Das so konstruierte Feindbild schade dem Zusammenleben in Deutschland.
„Sämtliche Unterstellungen der Fremdsteuerung, der politischen Einflussnahme aus der Türkei, der politischen Agitation und der Gefährlichkeit unserer Religionsgemeinschaft weisen wir auf das Schärfste zurück“, betonte der Verband. Alle Ditib-Gemeinden seien Vereine nach deutschem Recht und stünden nicht in Verbindung zu türkischen Ämtern oder Behörden. Die Vereinsvorstände seien demokratisch gewählte Personen, die in Deutschland lebten und häufig auch hier aufgewachsen seien. „Niemand, weder im Inland, noch im Ausland, hat sich in unsere Vereinsarbeit einzumischen.“
Dagegen hatte sich Unionsfraktionschef Volker Kauder am Wochenende dafür ausgesprochen, den Einfluss der von der türkischen Regierung kontrollierten Organisation in Deutschland einzuschränken, da sie „offenbar Sprachrohr von Präsident Erdogan ist“. Auch Politiker anderer Parteien gingen auf Distanz zu Ditib und stellten eine mögliche Zusammenarbeit bei der Gestaltung des muslimischen Religionsunterrichts infrage. Es könne nicht geduldet werden, dass „Erdogans Politik in deutsche Moscheegemeinden hineingetragen wird“, sagte die SPD-Religionsexpertin Kerstin Griese. Und der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet forderte, Ditib müsse sich „völlig neu organisieren und unabhängig machen“.
Ditib geriet in den Fokus der Politik, weil es sich nach dem gescheiterten Putschversuch der Militärs in der Türkei öffentlich auf die Seite Erdogans gestellt und zu Solidaritätskundgebungen in Deutschland aufgerufen hatte.
Als Konsequenz setzte die rheinland-pfälzische Regierung am Freitag die Verhandlungen mit Ditib und anderen islamischen Verbänden über einen islamischen Religionsunterricht aus, auch in Niedersachsen gerieten die Verhandlungen über einen Staatsvertrag ins Stocken.
Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, wie Ditib offiziell heißt, ist der größte Islamverband in Deutschland und Gründungsmitglied des Koordinierungsrates der Muslime. Der Vorsitzende von Ditib ist in Personalunion gleichzeitig türkischer Botschaftsrat für religiöse und soziale Angelegenheiten.
Der Verband mit Sitz in Köln-Ehrenfeld untersteht dem staatlichen Präsidium für Religiöse Angelegenheiten der Türkei (Diyanet), das wiederum direkt dem Ministerpräsidenten in Ankara unterstellt ist. Diyanet ist nicht nur für die Moscheen in der Türkei verantwortlich, sondern auch für diejenigen im Ausland, die zu Ditib gehören, es bildet die Prediger und Imame aus und entsendet sie an die jeweiligen Gemeinden, auch nach Deutschland. Die Imame der Ditib sind de facto Beamte des türkischen Staates, von dem sie auch bezahlt werden. Viele können kein Wort Deutsch. In der Vergangenheit gab es immer wieder Vorwürfe, dass es Ditib weniger um Religion als vielmehr um die Kontrolle der in Deutschland lebenden Türken gehe.