zurück
EMMENDINGEN
Vorsicht Aluminium!
Deodorant gegen Schweißgeruch       -  Deos sollen üble Gerüche unterbinden. Einige dieser Produkte enthalten aber Aluminium.
Foto: Arno Burgi, dpa | Deos sollen üble Gerüche unterbinden. Einige dieser Produkte enthalten aber Aluminium.
Von unserem Mitarbeiter Christoph Weymann
 |  aktualisiert: 08.04.2018 02:44 Uhr

Dieses Element ist rekordverdächtig – im Guten wie im Schlechten. Nach Sauerstoff und Silicium ist Aluminium mit einem Anteil von acht Prozent dritthäufigster Stoff der Erdhülle. Weil es in der Natur nur in Verbindung mit anderen Stoffen vorkommt, wurde das Material aber erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts „entdeckt“ und in Reinform hergestellt. Das Leichtmetall eignet sich ideal für Bauteile aller Art: stabil bei geringem Gewicht, gut formbar, Strom leitend und nicht rostend.

Die Herstellung fällt dagegen in die Kategorie „Heavy Metal“: für jede Tonne reinen Aluminiums, das vor allem in den Tropen aus Bauxitgestein gewonnen wird, bleibt mindestens dieselbe Menge giftigen Rotschlamms zurück. Der Energieaufwand in der Produktion ist immens. Eine weitere Schattenseite: Über Trinkwasser und Lebensmittel gelangt das Metall auch in den Körper.

Ein „Alien“ im Körper

Ein gesunder Mensch kann etwa 99 Prozent davon wieder ausscheiden. Problematisch wird das restliche Aluminium. Der britische Wissenschaftler und Alu-Kritiker Christopher Exley hat den Stoff deshalb mit einem „Alien“, einem „Außerirdischen“ im Körper, verglichen.

Der verbleibende Rest kann vom Körper mit erwünschten Eisenteilchen verwechselt werden und kann so etwa in Knochen, Muskeln und sogar ins Gehirn gelangen. „Wir wissen vor allem aus Tierversuchen, dass bei hohen Konzentrationen Schädigungen des Zentralen Nervensystems und auch des blutbildenden und knochenbildenden Systems vorhanden sind“, sagt der Lebensmittelchemiker Thorsten Stahl, Fachgebietsleiter im Hessischen Landeslabor Kassel.

So viel ist tolerierbar

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) haben deshalb eine „Tolerierbare Wöchentliche Aufnahme“ („Tolerable Weekly Intake“, TWI) von einem Milligramm Aluminium pro Kilo Körpergewicht pro Woche als Grenzwert festgelegt. Wer 70 Kilo wiegt, darf also pro Woche bis zu 70 Milligramm aufnehmen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die lange für vernachlässigbar gering gehaltene Aufnahme von Aluminiumsalzen über die Haut durch Deodorants, denen sie beigemischt werden, um die Schweißkanäle zu verengen und zu blockieren.

So kam das staatliche deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) 2014 zu dem Schluss, dass die Aufnahmemengen von Aluminiumsalzen aus Antitranspirantien „um ein Vielfaches“ über dem TWI-Grenzwert liegen, wenn die Haut, etwa nach einer Rasur, Verletzungen aufweist: „Da Verbraucher bereits über Lebensmittel hohe Mengen Aluminium aufnehmen, ist davon auszugehen, dass allein über diesen Eintragsweg die wöchentlich tolerierbare Aufnahmemenge bei einem Teil der Bevölkerung ausgeschöpft ist.“

Forscher: Demenz durch Alu

Würden zusätzlich langfristig aluminiumhaltige Kosmetika angewendet, „könnte der TWI dauerhaft überschritten werden und sich Aluminium im Körper anreichern“, stellte das BfR fest. Forscher wie Exley glauben, dass solche Ablagerungen des Leichtmetalls im Körper auch Alzheimer-Demenz und Brustkrebs auslösen können.

Einen klaren Nachweis dafür konnten die wenigen dazu vorliegenden Studien aber bisher nicht liefern. Unstrittig ist dagegen, dass die Belastung des Körpers mit Aluminium möglichst gering sein sollte. Entkommen kann man dem Stoff nicht, da er in Lebensmittelzusätzen, Kuchenüberzügen, Medikamenten, Zahnpastas und vielen anderen Produkten verwendet wird. Aluminiumspuren finden sich im Trinkwasser, dem zur Reinigung teilweise zusätzlich Aluminiumsulfat beigemischt wird, um damit Schadstoffe ausflocken und abfiltern zu können. Außerdem kommt das Leichtmetall von Natur aus in vielen Lebensmitteln vor. In manchem – wie Tee, Gewürzen oder Schokolade – steckt sogar besonders viel Aluminium.

Anreicherung im Kakao

So stellte ein Team von Wissenschaftlern um Thorsten Stahl 2011 fest, dass ein Kind mit einem Körpergewicht von 30 Kilo im Extremfall schon bei einem wöchentlichen Konsum von 200 Gramm Schokolade seinen TWI-Grenzwert von 30 Milligramm erreichen würde. Schuld daran ist eine natürliche Anreicherung in der Kakaopflanze, nicht die dünne Alufolie der Verpackung.

Häufig aber kommt es durch den Kontakt des Materials mit Lebensmitteln zu einer ungesund hohen Konzentration in den Speisen. Für den Übergang aus Metallen und Legierungen in Lebensmittel hat der Europarat 2013 ein Spezifisches Freisetzungs-Limit (SRL) festgelegt.

Werte in der Praxis überschritten

Danach gelten fünf Milligramm Aluminium pro Kilogramm Lebensmittel als tolerabel – in der Praxis wird dieser Wert aber immer wieder überschritten. So fand das Team um Thorsten Stahl bei Tests mit Campinggeschirr und Grillpfannen aus Alu – besonders bei der Zubereitung salziger oder saurer Speisen wie Fleisch in Marinade oder einem Fischbratling in Öl – hohe Konzentrationen von Aluminium.

Bei der Untersuchung von Alu-Trinkflaschen, in denen die Forscher einen Tag lang säurehaltige Getränke (Tee und Apfelschorle) stehen ließen, stellte sich heraus, dass relativ viel des reaktionsfreudigen Metalls in die Flüssigkeit wanderte.

Schutzschicht in Espressokannen

Hochgerechnet auf sieben Tage mit je einem halben Liter Beuteltee in einer beschichteten Flasche, zeigte sich, dass dadurch schon ein Drittel des TWI-Wochenlimits eines Kindes mit 15 Kilogramm Körpergewicht verbraucht war.

Dagegen stellten die Experten fest, dass ausgerechnet einfache, typisch italienische Espressokannen nach einigen Benutzungen eine schützende Schicht bilden, die den Übertritt von Aluminiumionen ins Kaffeewasser fast vollständig verhindert. Insgesamt weiß man, angesichts der vielfältigen Verwendung des Materials, aber immer noch zu wenig über seine Auswirkungen.

Tipps zur Verringerung der Aluminium-Aufnahme

Aluhaltige „Lebensmittelkontaktmaterialien“ wie Alufolie, Trinkflaschen, Geschirr, Campingtöpfe, Grillschalen und Backschalen bei Tiefkühllebensmitteln möglichst vermeiden und derartige Materialien insbesondere nicht für säurehaltige oder salzige Lebensmittel verwenden. Wenn beim Grillen eine Aluschale verwendet wird: nicht für mariniertes Fleisch nutzen, Grillgut erst am Ende würzen.

Kinder sollten möglichst keine säurehaltigen Getränke wie Tees und Fruchtsäfte aus unbeschichteten Alu-Trinkflaschen trinken. Aluhaltige Lebensmittelzusatzstoffe, zum Beispiel in Süßigkeiten, verstecken sich oft hinter den sogenannten E-Nummern. Auf Deos verzichten, die Aluminium enthalten – und besonders bei verletzter Haut (nach einer Rasur) keine aluhaltigen Körperpflegemittel auftragen. AZ

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Aluminium
Europarat
Körper
Leichtmetalle
Weltgesundheitsorganisation
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen