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BERLIN
Vorbereitung für Jamaika-Koalition
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 16.10.2017 03:14 Uhr

Zwischen den beiden Rednerpulten im Berliner Konrad-Adenauer-Haus prangt groß der Schriftzug „Die Mitte.“ Doch in der Mitte, da ist nichts. Von Angela Merkel aus gesehen, steht Horst Seehofer ein ordentliches Stück rechts von ihr. Aus der Perspektive des hünenhaften CSU-Vorsitzenden befindet sich die CDU-Chefin dagegen weit links davon. Zwischen beiden: ein großes Stück weiße Leinwand, eine Lücke.

Dabei wollen Merkel und Seehofer ja gerade demonstrieren, dass die Schwesterparteien CDU und CSU endlich wieder zusammengerückt sind, dass der tiefe Graben, den der Streit um die Flüchtlingsobergrenze aufgerissen hat, zugeschüttet wurde. Beide wirken abgekämpft, wie ein Paar, das zu lange gestritten hat und sich am Ende mehr aus Ermüdung denn aus Einsicht oder gar echter Zuneigung versöhnt. Doch jetzt wollen die Bundeskanzlerin und der bayerische Ministerpräsident zeigen, dass die Union nach der gemeinsam erlittenen Wahlschlappe als eine echte Einheit in die Koalitionsverhandlungen mit FDP und Grünen geht, die ab Mittwoch kommender Woche beginnen sollen.

Der Konflikt, von dem, so drückt es Angela Merkel gewohnt umständlich aus, „gemeinhin unter dem Stichwort Obergrenze“ gesprochen worden ist, sei mit einem „klassischen Kompromiss“ ausgeräumt worden, bei dem „beide Seiten aufeinander zugegangen sind“. In der Nacht zuvor hatten sich CDU und CSU darauf geeinigt, dass künftig ein „Richtwert“ von 200 000 Flüchtlingen aus humanitären Gründen gelten soll. Von einer starren Obergrenze, wie sie Horst Seehofer geordert hatte, ist aber nicht die Rede.

Merkel legt Wert auf die Feststellung, dass auch der 200 001. Flüchtling in einem Jahr ein „ordentliches Verfahren“ bekommen solle. Seehofer sagt, für ihn sei der „materielle Inhalt“ des Kompromisses entscheidend, nicht so sehr die Begrifflichkeiten. Er sehe die Einigung als Basis für ein „in sich schlüssiges Regelwerk der Migration“ und hebt hervor, dass im Richtwert von 200 000 alle Personengruppen „außer Fachkräfte“ enthalten seien. Die Zuwanderung von Fachkräften solle in einem eigenen Gesetz geregelt werden.

Für Angela Merkel stellt der erzielte Kompromiss sicher, „dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholen wird und kann“. Um den Richtwert zu gewährleisten, würden die Fluchtursachenbekämpfung und die Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern weiter verstärkt. Innerhalb der Europäischen Union müsse es künftig einheitliche Asylverfahren und einen besseren Schutz der Außengrenzen geben.

Mit dem Kompromiss geht ein zweijähriger Streit zu Ende, durch den sich CDU und CSU immer weiter entfernt haben – voneinander und von großen Teilen ihrer Wählerschaft. In Scharen kehrten Konservative den Unionsparteien aus Enttäuschung über die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin ab Herbst 2015 den Rücken. Und bescherten der rechtspopulistischen AfD einen Höhenflug, der jetzt bis in den Bundestag führte.

Mit seiner Forderung nach einer Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr hatte Horst Seehofer der Bundeskanzlerin lange massiv zugesetzt. Mit dem Richtwert hat Seehofer zwar nicht die gewünschte feste Grenze, aus seiner Sicht aber doch ein greifbares Bekenntnis zur Begrenzung erreicht. Für Merkel dagegen steht im Mittelpunkt, dass weiter kein Asylsuchender an der deutschen Grenze abgewiesen wird. Der Kompromiss, sagen Merkel und Seehofer, werde Grundlage der Koalitionsverhandlungen sein. Und dann nicken sie sich kurz zu, über die Lücke in der Mitte hinweg.

 
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