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BRÜSSEL
Vor 25 Jahren: Der Tag, an dem die EU begann
Waigel zu Euro       -  Der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel erklärte immer wieder die Konvergenzkriterien für einen Beitritt zur Eurozone.
Foto: Colorplus, dpa | Der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel erklärte immer wieder die Konvergenzkriterien für einen Beitritt zur Eurozone.
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 02.04.2019 13:00 Uhr

Es war schon zwei Uhr morgens, als der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl einem fundamentalen Irrtum erlag. 30 Stunden lang hatten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) an diesem 11. Dezember 1991 im Provinciehuis der niederländischen Kleinstadt Maastricht getagt und schließlich einen Vertrag vereinbart, der am 1. November 1993 in Kraft trat.

Wichtigste Bestandteile: An die Stelle der EWG trat die Europäische Union (EU), der europäische Binnenmarkt wurde gegründet und die Einführung des Euro beschlossen. Mit den Worten „Spiel, Satz und Sieg für Großbritannien“ war der damalige Premierminister John Major nach draußen gestürmt und hatte stolz die erreichten Ausnahmen für sein Land verkündet. Das Vereinigte Königreich durfte sein geliebtes Pfund behalten – und brauchte etliche Sozialvorschriften nicht zu übernehmen. Kohl entgegnete übermüdet und trotzig: „Am Ende wird der Strom Europas auch Großbritannien erfassen.“ Der Brexit entlarvt diese Fehleinschätzung.

Vor genau 25 Jahren trat der Maastrichter Vertrag in Kraft und veränderte das Gesicht der Gemeinschaft völlig. Die damals zwölf Mitgliedstaaten strichen alle Zölle untereinander und harmonisierten die Importabgaben, die von Drittländern erhoben wurden. Fortan gab es nicht mehr zwölf nationale Märkte, sondern einen gemeinsamen.

Auf drei Säulen bauten die Väter der EU das Haus Europa: einer gemeinsamen Politik in den Bereichen Landwirtschaft, Handel, Verbraucherschutz, Bildung, Kultur, Sozialpolitik und Umwelt als erste Säule. Die zweite bestand aus der gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik, die für Demokratie und Menschenrechte werben und der Friedenserhaltung dienen sollte. Für mehr Sicherheit nach innen vereinbarten die Staats- und Regierungschefs zum Dritten eine enge Zusammenarbeit in Polizeifragen und bei der Justiz. Alle diese Vereinbarungen müssen seither von Neu-Mitgliedern übernommen werden.

Die Schlagbäume zwischen den Mitgliedstaaten gingen hoch

Es war eine Zeitenwende. Aufbruchstimmung lag in der Luft. Deutschland hatte seine Wiedervereinigung erreicht, der Eiserne Vorhang zwischen Ost und West löste sich auf. In Moskau hielt Staatspräsident Michail Gorbatschow als Reformer noch bis Ende 1991 die Zügel in der Hand. Europa träumte seinen Traum von einer immer weiteren Integration. Nur wenige Jahre später gingen die Schlagbäume zwischen den Mitgliedstaaten hoch, Grenzen fielen, der Schengen-Raum war geschaffen. In Brüssel standen neue EU-Bewerber Schlange. Und so war es kein Wunder, dass Helmut Kohl und sein wichtigster Partner in Europa, Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand, noch ein Vorhaben anpackten, das untrennbar mit Maastricht verbunden ist: den Euro.

Doch Kohl kehrte von dem Gipfel keineswegs im Triumph wieder in die damalige Bundeshauptstadt Bonn zurück. Er habe die stabile und ach so feste D-Mark aufgegeben, hielten ihm die Kritiker entgegen. Wehrlos sei Deutschland nun den anderen Mitgliedstaaten ausgeliefert, da es keine Stabilitätskriterien gab. Ein Irrtum. Denn die Staats- und Regierungschefs hatten sehr wohl auch über Instrumente geredet, die Kohls Finanzminister Theo Waigel dann in weitergehenden Verhandlungen festzurrte, ehe der Euro 2002 endgültig zum Zahlungsmittel wurde.

Stabilitätskriterien bereits 156-mal gebrochen

Und diese Auflagen haben es so in sich. Viele Länder, die längst mit dem Euro zahlen, hätten heute keine Chance, Mitglieder der Währungsunion zu werden: Es darf kein aktuelles Defizitverfahren gegen das Bewerberland laufen. Die Inflation muss unter zwei Prozent liegen. Eine Neuverschuldung von drei Prozent gilt als Höchstmarke. Und der Schuldenberg sollte kleiner sein als 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Ein hehrer Versuch, für währungspolitische Sicherheit zu sorgen, doch in den Jahren seither wurden diese Kriterien 156-mal gebrochen – unter anderem auch von Deutschland.

Als der Vertrag von Maastricht dann schließlich vor 25 Jahren in Kraft trat, merkten die Bürger zunächst wenig von den tief greifenden Veränderungen. Es gab keine großen Jubelfeiern und keine europäischen Flaggen, die gehisst wurden. Stattdessen begannen die EU-Institutionen – und hier vor allem die Kommission in Brüssel – die Wirtschaft langsam zusammenzuschmieden.

Für Produkte, Waren und Dienstleistungen entwickelte die Behörde gemeinsame Standards, die von den Unternehmen als große Erleichterung empfunden wurden. Schließlich brauchten sie künftig nicht mehr zwölf verschiedene Vorgaben, sondern nur noch eine europäische Vorschrift zu erfüllen – auch wenn sich mancher Bürger fortan fragte, ob es wirklich Aufgabe einer politischen Union sein muss, Staubsauger, Glühlampen oder Eisenbahn-Sicherungssysteme zu harmonisieren.

Der gemeinsame Binnenmarkt, dem heute (noch) 28 Staaten angehören, setzte sich aus vielen kleinen Bausteinen zusammen. Der Vertrag von Maastricht gilt bis heute als der erste und wichtigste Bauplan.

 
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