
Die Stiefel sind geputzt und stehen ordentlich aufgereiht vor der Wohnungstür. Waren die Kinder lieb, sind die Schuhe am 6. Dezember mit Leckereien oder kleinen Geschenken gefüllt – denn an diesem Tag ist Nikolaustag. Für die Kinder ein kleiner Vorgeschmack auf Weihnachten.
Der Nikolaustag am 6. Dezember hat eine lange Tradition und geht auf den heiligen Nikolaus zurück. Der spätere Bischof von Myra soll um das Jahr 280 in der heutigen Türkei geboren worden sein. In welchem Jahr er starb, ist historisch nicht verbürgt. Seinen Todestag hat die katholische Kirche auf den 6. Dezember datiert. An diesem Tag wird des Heiligen und der guten Taten gedacht, die er vollbracht haben soll. Die Legenden sind zahlreich: So soll er Tote zum Leben erweckt, Unschuldige vor dem Tod und Kinder vor Prügelstrafen bewahrt haben. Er rettete in Seenot geratene Schiffsleute und verteilte Gaben an die Armen. Auf welche historische Person der Nikolaus tatsächlich zurückgeht, ist allerdings bis heute nicht klar. Es könnte neben dem Bischof von Myra auch der Bischof von Pinora gemeint sein, der 200 Jahre später lebte. In der Vorstellung verschmolzen sie zu einer einzigen, fiktiven Person, die eben vor allem am 6. Dezember für ihr vorbildhaftes Leben verehrt wird.
Gerade bei Kindern ist der Tag beliebt, sie freuen sich auf die kleinen Geschenke, die der Nikolaus ihnen bringt. Roter Mantel, Bischofsstab, Mitra und ein Sack voller Gaben: So kennen sie ihn hierzulande. Begleitet wird der bärtige alte Mann von seinem treuen Gefährten Knecht Ruprecht. So zumindest sieht es häufig in deutschen Wohnzimmern, Kindergärten oder Schulen aus. Weltweit gibt es jedoch die verschiedensten Vorstellungen vom Nikolaus.
Niederlande und Belgien: Sinterklaas
In den Niederlanden und auch in Teilen Belgiens wird der Nikolaustag größer gefeiert als Weihnachten – zumindest aus Sicht der Kinder, die hauptsächlich an diesem Tag Geschenke bekommen. Der Legende nach reist Sinterklaas mit einem Dampfschiff aus Spanien an. Seine Ankunft wird in einigen Küstenorten traditionell nachgespielt. Äußerlich ist er unserem Nikolaus ganz ähnlich, mit rotem Gewand, Bischofsstab und Mitra. Auf einem Schimmel reitet er über die Dächer, immer begleitet von seinem treuen Gefährten, dem Zwarte Piet (Schwarzer Peter). Die Gestalt des Zwarte Piet ist allerdings nicht unumstritten: Seine klischeehafte Darstellung geht auf farbige Bedienstete reicher Holländer während der Kolonialzeit zurück. Wie der amerikanische Santa Claus bringt Sinterklaas seine Gaben durch den Schornstein – aber die Geschenke hinterlässt er nicht in aufgestellten Stiefeln oder Socken am Kamin, sondern in Holzschuhen.
USA: Santa Claus
Den Nikolaustag feiert man in den Vereinigten Staaten nicht. Hier verkörpert Santa Claus das Weihnachtsfest. Er wohnt weit oben am Nordpol. Gemeinsam mit seinen Elfen und Rentieren, allen voran Rudolph, arbeitet er rund um die Uhr in einer riesigen Spielzeugfabrik. An Weihnachten sollen schließlich alle Kinder pünktlich ihre Geschenke bekommen. Santa Claus ist eine Mischung aus Weihnachtsmann und Nikolaus. Vor allem holländische Einwanderer brachten den Brauch mit in die USA. Der Bischof war der Schutzpatron der Stadt Neu Amsterdam, das heutige New York. Einen Gefährten hat Santa Claus nicht. Vielmehr ist er Knecht Ruprecht und Weihnachtsmann in einer Person: Die braven Kinder belohnt er mit Geschenken, für die unartigen gibt es einen Klaps mit der Rute.
Slowakei: Wilde Frauen
Wer in der Slowakei am Abend seine geputzten Schuhe vor die Tür stellt, wartet am nächsten Morgen vergebens auf die Füllung. Einen Nikolaustag kennt man hier nicht. Zahlreiche andere Bräuche bereichern die Vorweihnachtszeit stattdessen. So stellen junge Mädchen am 4. Dezember Kirschzweige ins Wasser. Wenn diese bis Weihnachten blühen, ist ihnen im nächsten Jahr Glück in der Liebe garantiert. Am 12. Dezember ziehen Frauen in Gruppen von Haus zu Haus und erschrecken die Männer, um sie das Fürchten zu lehren. Die Weihnachtsgeschenke bringt das Christkind oder der Weihnachtsmann an Heiligabend.
Griechenland: Agios Nikolaos
Für die Griechen ist der Nikolaus der Schutzpatron der Seefahrt: Auf vielen Schiffen finden sich Ikonen des Heiligen und mit zahlreichen Festen in Hafenorten wird seiner gedacht. „Agios Nikolaos“ sorgt dafür, dass den Seefahrern kein Unheil droht. Anders als in vielen anderen europäischen Ländern hat der Nikolaus hier aber keine pädagogische Erziehungsrolle. Er ist weder Ermahner, noch Geschenkebringer. Diese werden erst am 1. Januar vom Heiligen Vassilius überreicht. In der Silvesternacht legt er die Geschenke vor das Bett. Die Erwachsenen beschenken sich mit einem Weihnachtskuchen. Darin ist eine Goldmünze versteckt. Wer diese findet, dem ist das Glück hold. Und ein Besuch beim Zahnarzt sicher.
Schweiz: Samichlaus
Diener, Engelsfiguren, Kuhglockenscheller, Peitschenknaller und Laternenträger: Kein Nikolaus der Welt hat so viele Gefährten an seiner Seite wie „Samichlaus“ aus der Schweiz. In den katholischen Gegenden wird er von einem strafenden Knecht namens Schmutzli begleitet. Der Samichlaus trägt einen Kapuzenmantel, hat einen langen Bart und eine Rute in der Hand. Meist ist er zu Fuß unterwegs. Manchmal fährt er aber auch mit der Kutsche, dem Schiff oder sitzt auf einem hohen Ross. Damit die Kinder mit Geschenken und Leckereien belohnt werden, müssen sie vorher gelernte Samichlaus-Sprüche aufsagen. Ein weiterer Brauch in der Schweiz ist das sogenannte „Klausjagen“. In der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember zogen ursprünglich Burschen durch die Gassen und pöbelten die Leute an, um Esswaren und Alkohol zu bekommen. Das änderte sich erst ab 1928 mit der Gründung der Sankt Nikolausengesellschaft. Seither ziehen die „Klausjäger“ mit Lärminstrumenten durch die Straßen und sammeln für karitative Zwecke.
Schweden: Luciafest am 13. Dezember
Der Nikolaustag wird in Schweden nicht besonders gefeiert. Stattdessen gibt es einen anderen vorweihnachtlichen Brauch, der im ganzen Land beliebt ist: das Lichterfest oder Luciafest am 13. Dezember. Es wird angenommen, dass der Brauch auf den Namenstag der heiligen Lucia zurückgeht, auch wenn die genaue Entstehung sich heute nicht mehr rekonstruieren lässt. Der Name könnte vom lateinischen Wort für Licht, lux, stammen. Die Lichtsymbolik ist gerade im dunklen skandinavischen Winter sehr ausgeprägt. Traditionell verkleidet sich die älteste Tochter des Hauses als Lucia. Ausstaffiert mit einem weißem Gewand und einem Kerzenkranz auf den Kopf, weckt sie die Familie und bringt Frühstück ans Bett. Besonders beliebt ist dabei ein spezielles Safrangebäck, das für das Luciafest gebacken wird. Auch in den Dörfern und Stadtteilen werden Lucien gewählt, die in einer Kerzen-Prozession singend durch die Straßen ziehen.
Russland: Sviatoi Nikolaj
Nikolaj ist einer der beliebtesten Vornamen in Russland. Seit dem 11. Jahrhundert verehrt man den heiligen „Sviatoi Nikolaj“ in der orthodoxen Kirche für seine guten Taten. Vor allem bei Bauern, Bierbrauern und Schnapsbrennern ist der Bischof beliebt. So ist das russische Wort „sich betrinken“ bis heute „nikolitjsja“. Nach der kommunistischen Revolution trat Väterchen Frost an die Stelle des Nikolaus'. Väterchen Frost trägt der Legende nach einen grau-blauen Pelzmantel und kann mit seinem Zepter alles zum Gefrieren bringen. Er bekommt tatkräftige Unterstützung: Diese ist weiblich und heißt Schneeflöckchen (Snegorochka). Auf seiner Troika, einem von Rentieren gezogenen Schlitten, beschenkt er die Kinder nicht am 6. Dezember oder am Heiligen Abend, sondern erst in der Silvesternacht.
Italien: San Nicola
Auch in Italien wird der 6. Dezember gefeiert: Die Kinder freuen sich, wenn sie morgens die kleinen Gaben vor ihrer Schlafzimmertür finden, die San Nicola über Nacht gebracht hat. Neben dem Nikolausfest gibt es in Italien aber auch ähnliche Bräuche, weswegen der 6. Dezember keine so große Bedeutung hat wie in Deutschland. So wird der 13. Dezember als Tag der heiligen Lucia gefeiert, und am 6. Januar freuen sich die Kinder besonders auf die gute Hexe Befana. Der Legende nach fliegt die weise, aber hässliche Befana auf ihrem Besen von Haus zu Haus, weil sie das Jesuskind sucht. Dabei hinterlässt sie, wie der Nikolaus, Geschenke und Süßigkeiten in aufgestellten Schuhen oder Socken. War ein Kind unartig, kann es auch schon mal ein Stück Kohle vorfinden.