Ursula von der Leyen redet nicht um den heißen Brei herum. Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, sagt sie, „ist zu Recht als Krieg bezeichnet worden“. Jeder sieht das, jeder weiß das – warum soll ausgerechnet sie sich da noch verstellen? Die Verteidigungsministerin gehört nicht zu den Politikern, die unangenehme Wahrheiten in wolkige Sätze kleiden, um nur ja nirgendwo anzuecken. Wie in den Auseinandersetzungen um die Frauenquote und eine höhere Rente für Geringverdiener verfährt sie auch in ihrem neuen Amt nach der alten Methode: Aussprechen, was ist.
Das gilt für den Krieg, den die Bundeswehr im Norden Afghanistan geführt hat, genauso wie für den Alltag der 185 000 Soldaten zu Hause, der von Schicht- und Wochenenddiensten, von ständigen Versetzungen und alles in allem wenig familienfreundlichen Arbeitsbedingungen geprägt ist. Zwei Gespräche, die sie in der vergangenen Woche mit dem Wehrbeauftragten des Bundestages, Hellmut Königshaus, und dem Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, Andre Wüstner, geführt hat, haben Ursula von der Leyen deshalb schnell wieder zu dem Thema geführt, das irgendwie immer ihres ist, egal, in welchem Ministerium sie gerade sitzt: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Oder, wie sie es jetzt militärisch korrekt nennt, der von Dienst und Beruf.
Wie kaum jemand sonst im politischen Berlin versteht die 55-Jährige es, Öffentlichkeit für ein Anliegen herzustellen, das sie instinktsicher als wichtig identifiziert hat. Ein großes Interview in der „Bild am Sonntag“, flankiert von einem abendlichen Auftritt im Heute-Journal, einem am gedeckten Frühstückstisch für das Morgenmagazin – und schon war die Botschaft in der Welt: Ursula von der Leyen will, kaum im Amt, aus der trägen, bürokratischen Bundeswehr einen der attraktivsten Arbeitgeber des Landes machen, mit Tagesmüttern und Kindergärten in den Kasernen, mit Teilzeitstellen und einem Ende der dauernden Umzieherei. „Unsere Soldatinnen und Soldaten“, sagt sie, „lieben ihren Beruf. Aber sie möchten auch, dass ihre Ehen halten und sie ein glückliches Familienleben führen.“
Es ist ein typischer Von-der-Leyen-Vorstoß, treffsicher an einem eher nachrichtenarmen Wochenende platziert, plakativ formuliert und mit dem kühlen Selbstbewusstsein einer Frau vorgetragen, die genau weiß, was sie will und wohin sie will. Den Verdacht, sie habe das Kanzleramt fest im Blick, hat die Tochter des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht zwar schon mehrfach mit dem Argument zu entkräften versucht, in jeder Generation werde nur einer Kanzler und in ihrer Generation sei das eben Angela Merkel.
So recht glauben allerdings mag ihr das in der Union niemand. Wenn sie sich auch im Verteidigungsministerium bewährt, einem der schwierigsten Ressorts überhaupt, dürfte in der Nach-Merkel-Zeit kaum ein Weg an ihr vorbei führen – obwohl sie sich mit Alleingängen wie bei der Frauenquote in der CDU nicht gerade beliebter gemacht hat und ihre Umfragewerte unter dem Wechsel in ihr neues Ressort ein wenig gelitten haben. Offenbar wollen sie für viele Wähler auf den ersten Blick nicht so recht zusammenpassen, die neue Ministerin und die Armee.
Eigentlich wäre sie nach der Wahl ja lieber aus dem Sozialministerium ins Auswärtige Amt gewechselt. Das beanspruchte aber die SPD mit Frank-Walter Steinmeier, was die Kanzlerin in gewisse Nöte gebracht hat. Mit dem wenig prestigeträchtigen Gesundheitsministerium wollte Ursula von der Leyen sich auf keinen Fall abspeisen lassen, das hätte sie wie eine Degradierung empfunden. Beim Verteidigungsressort dagegen verhält es sich genau umgekehrt: Es ist eine Herausforderung ganz nach dem Geschmack der neuen Hausherrin – mit großen Gestaltungsmöglichkeiten wie der geplanten Familienoffensive, aber auch mit einer großen Fallhöhe. Noch ist ja weder der Abzug aus Afghanistan gemeistert noch das Drohnen-Debakel ausgestanden.
Während andere Minister sich in ihren Ämtern noch sortieren, läuft Ursula von der Leyens Machtmaschine bereits auf voller Drehzahl. Während der Woche wohnt sie sogar im Ministerium, um möglichst früh bei der Arbeit zu sein und möglichst viel „wegzuschaffen“, wie sie es nennt. Dafür hält sie sich die Wochenenden für die Familie frei – von wenigen Ausnahmen wie Anfang Februar abgesehen. Dann muss die Verteidigungsministerin bei der Münchner Sicherheitskonferenz Kollegen aus der ganzen Welt erklären, wie sie die Lage in Syrien, in Afghanistan oder in Zentralafrika sieht. Es wird ihre erste sicherheitspolitische Rede sein, ihr erster Härtetest im neuen Amt. Wirklich bange aber ist ihr davor nicht.
Als die Kanzlerin ihr die Verantwortung für die Bundeswehr angetragen hat, hat Ursula von der Leyen ihren Mann gefragt, was er davon halte – und sich dann an seinen Rat gehalten: „Wenn Du Dir das zutraust, dann mach es.“