Agrarexporte statt Auslandsmissionen, Fischfangquoten statt Flottenverbände und Weinbau statt Wehrübungen. Christian Schmidt, der am Montag von Bundespräsident Joachim Gauck zum neuen Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft ernannt wurde, muss sich plötzlich und unerwartet in ein völlig neues Meier einarbeiten, mit dem er bislang überhaupt nichts zu tun hatte. Vielmehr ist der Sohn eines Bäckers aus Obernzenn bei Fürth ein ausgewiesener Verteidigungsexperte und anerkannter Sicherheitspolitiker, seit acht Jahren Staatssekretär im Verteidigungsministerium unter den CDU- und CSU-Minister Franz Josef Jung, Karl-Theodor zu Guttenberg und Thomas de Maiziere, seit Dezember schließlich Staatssekretär im Entwicklungsministerium unter dem schwäbischen Minister Gerd Müller aus Kempten.
Doch nach dem Rücktritt von Hans-Peter Friedrich am Freitag als Folge der Affäre Edathy brauchte CSU-Chef Horst Seehofer schnell einen Ersatz, der zudem – wie der aus Hof stammende Friedrich – ein Franke sein musste, damit der innerbayerische Proporz gewahrt bleibt. Ein Kriterium, das auch die ausgewiesene Landwirtschaftsexpertin Marlene Mortler aus Mittelfranken, seit wenigen Wochen die neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung, oder die Unterfränkin Dorothee Bär, seit Dezember Staatssekretärin im Verkehrsministerium, erfüllt hätten.
Den Ausschlag für den 56-jährigen Schmidt dürften am Ende seine langjährigen Regierungserfahrungen im Wehrressort gegeben haben. Er ist kein Neuling auf der Regierungsbank, sondern ein alter Hase, der gerade in dem komplexen und als äußerst schwierig geltenden Verteidigungsministerium gelernt hat, wie eine große Behörde zu führen ist. Länger hat es noch nie ein Staatssekretär im Wehrressort ausgehalten.
Christian Schmidt wurde in der Vergangenheit immer wieder für ein Ministeramt gehandelt, und blieb doch der ewige Zweite – stellvertretender CSU-Chef und Staatssekretär, während andere an ihm vorbeizogen. Denn im Gegensatz zu nicht wenigen CSU-Politikern, die gerne laut und krachledern auftreten, bevorzugte der stets freundliche, nüchterne und pragmatische Mittelfranke die leisen und stillen Töne und agierte, ohne große Schlagzeilen zu produzieren, in der zweiten Reihe.
Nach dem Abitur in Windsheim studierte er Jura in Erlangen und Lausanne, 1990 zog er erstmals in den Deutschen Bundestag ein und wurde rasch Chef des Arbeitskreises für Auswärtiges und Verteidigung der CSU-Landesgruppe. Von 2002 bis 2005 war der überzeugte Transatlantiker und leidenschaftliche Europäer verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion und lieferte sich manches Wortgefecht mit dem damaligen SPD-Verteidigungsminister Peter Struck. Dessen Aussage, Deutschlands Sicherheit werde auch am Hindukusch verteidigt, konterte Schmidt mit der Forderung nach einer Stärkung des Heimatschutzes nach dem Motto „Hindelang statt Hindukusch“.
Nach dem Wahlsieg von Angela Merkel 2005 zog Schmidt als Staatssekretär in den Bendlerblock, wo er drei Ministern diente und für eine gewisse Kontinuität sorgte, als einer der wenigen in der CSU hat er noch Kontakt zu seinem früheren Chef und fränkischen Landsmann Karl-Theodor zu Guttenberg. Nach dem Wechsel ins Entwicklungsministerium im Dezember ging er daran, neue Konzepte zur Zusammenarbeit von Bundeswehr und zivilen Helfern zu entwickeln. Nun also Agrarpolitik. Damit betritt Schmidt Neuland. Doch gemacht wird sie an einem Ort, an dem er sich auskennt und der ihm vertraut ist – in Brüssel. Insofern dürfte ihm der der Wechsel nicht allzu schwer fallen.