Die Katholiken reklamieren ihn ebenso für sich wie die Protestanten. Ende Juni hat Papst Benedikt ein Paulus-Jahr ausgerufen – im Gedenken an die Geburt des Völkerapostels vor 2000 Jahren.
Paulus hat Jesus nie getroffen. Zum Glauben fand er erst nach dem Tod des Mannes aus Nazareth. Aber wie kein anderer hat er den Glauben der ersten Christen auf den Begriff gebracht und das Rätsel des Kreuzestodes Jesu zu deuten versucht. Etwa mit Sätzen wie diesem aus seinem Brief an die Gemeinde in Galatien im Jahr 56 – zu einer Zeit, als noch keines der vier Evangelien des Neuen Testaments geschrieben war: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“
Freiheit – das ist für Paulus die Freiheit von der Angst, gegen das Gesetz des Mose zu verstoßen, die Freiheit von der Sünde und vom Tod. Weil Jesus für die Menschen gestorben und auferstanden sei, sei kein Schlachtopfer mehr nötig, um Gott mit den Menschen zu versöhnen.
Das jüdische Gesetz mit seinen Ritualvorschriften war für Paulus damit überwunden. Für fromme Juden war das eine Provokation. Und das ausgerechnet von einem, der früher selber ein streng gläubiger Pharisäer war, ein Schriftgelehrter, der die Christen gehasst hat, weil sie den Tempelkult überflüssig machten.
Doch Paulus hatte, wie die Apostelgeschichte berichtet, auf dem Weg nach Damaskus eine Christuserscheinung. Seitdem war ihm klar: Wenn es nach dem Gesetz geht, sind ohnehin alle Menschen verloren. Denn niemand kann alle Gesetze einhalten; kein Mensch ist ohne Sünde. Stärker ist für Paulus die Liebe Gottes, der sich der Sünder erbarmt.
Im Streit mit Petrus
Diese Theologie hatte Konsequenzen – und die hat auch Petrus zu spüren bekommen, der andere Anführer der frühen Kirche. Petrus neigte dazu, Rücksicht zu nehmen auf konservative Judenchristen, für die die jüdische Beschneidung und die Einhaltung von Speisevorschriften weiterhin wichtig waren.
Ehemalige Heiden waren für sie nur Christen zweiter Klasse. Muss man also erst Jude werden, bevor man Christ werden kann? Im Streit mit Petrus beharrte Paulus darauf, dass der Glaube die einzige Vorbedingung fürs Christsein ist und die Taufe die Beschneidung abgelöst hat.
Am Ende einigten sie sich auf einen Kompromiss: Petrus blieb der „Fels“ der Urkirche in Jerusalem mit besonderem Bezug zu den Judenchristen. Paulus aber durfte die Heidenvölker missionieren.
Petrus, der erste „Katholik“, der erste Papst, der die Einheit der Kirche repräsentiert. Paulus, der erste „Protestant“, der die Rechtfertigung des Menschen allein aus Gottes Gnade verkündet: Die Kirchenspaltung im 16. Jahrhundert scheint schon in der Urkirche angelegt zu sein.
Bei allen großen Umbrüchen der Kirchengeschichte ging es immer auch um die rechte Auslegung der im Neuen Testament dokumentierten Paulus-Briefe an Gemeinden wie in Korinth und Rom.
So entwickelte der Kirchenvater Augustinus im 5. Jahrhundert aus der Sündenlehre des Paulus eine Erbsündenlehre – mit verheerenden Folgen für die Menschen im Mittelalter mit ihrer Höllenangst. Der Reformator Martin Luther protestierte später unter Berufung auf den Römerbrief gegen den katholischen Glauben, der sich durch gute Werke den Himmel verdienen zu können meinte.
In der modernen Theologie hat Paulus auch viel Widerspruch erfahren – er provoziert immer noch. Seine Sühnopfertheologie sei mit dem von Jesus verkündeten Gott der Liebe nicht vereinbar, monieren Kritiker. Feministische Theologinnen werfen ihm frauenfeindliche Äußerungen vor. Andere stoßen sich an seinem dogmatischen Eifer und sagen: typisch für Konvertiten – sie gehen 150-prozentig zu Werke.
Im Blickpunkt
Das katholische Paulus-Jahr
Der Vatikan begeht den 2000. Geburtstag des Völkerapostels Paulus. Papst Benedikt XVI. hat das Paulus-Jahr im Juni in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern in Rom eröffnet. Die Feierlichkeiten dauern bis zum 29. Juni 2009.
Mehr dazu im Internet: www.paulusjahr.de www.paulusjahr.info