
Als sich Martin McGuinness und Queen Elizabeth II. im Juni 2012 die Hand reichten, lächelte die Königin. Und jener Politiker, der einst als Großbritanniens Staatsfeind Nummer eins galt, sagte: „Auf Wiedersehen und Gott sei mit Ihnen.“ Der Moment ging in die Geschichte des Königreichs ein, war er doch an Symbolhaftigkeit kaum zu überbieten.
Ausgerechnet McGuinness, der als einer der Köpfe der katholischen Untergrundorganisation IRA einige der folgenschwersten Angriffe befohlen haben soll, traf das britische Staatsoberhaupt. Ausgerechnet er, der ein ranghoher Anführer war, als die IRA 1979 den Onkel der Queen, Lord Mountbatten, bei einem Bombenattentat tötete. Doch ausgerechnet er war es eben auch, der als Chefunterhändler maßgeblich den nordirischen Friedensprozess mitgestaltet hat.
Am frühen Dienstagmorgen starb Martin McGuinness im Alter von 66 Jahren an den Folgen einer seltenen Herzerkrankung. Seine Geschichte ist, wenn man so will, die Geschichte vom Wandel in Nordirland. 1950 in ärmliche Verhältnisse hineingeboren, wuchs James Martin Pacelli McGuinness im Bezirk Bogside der Stadt Derry auf.
Jenem Viertel, das später berühmt-berüchtigt wurde als Widerstandszone gegen die Unterdrückung durch die unionistische Mehrheit, und in dem die britische Armee 1972 am „Blutigen Sonntag“ 14 unbewaffnete, katholische Demonstranten erschoss.
Mit Mut und Beharrlichkeit
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich McGuinness bereits radikalisiert und war ein hochrangiges Mitglied der IRA. 1973 landete er wegen Sprengstoffschmuggels im Gefängnis. Kurz darauf verließ er nach eigener Aussage die IRA, die mit einem bürgerkriegsähnlichen Aufstand über Jahrzehnte die Abspaltung Nordirlands vom Königreich erreichen wollte und engagierte sich im politischen Arm der republikanischen Bewegung Sinn Féin. Er zog für Sinn Féin ins Parlament in Belfast ein und verfolgte eine politische Agenda, die den Konflikt von der Straße in die Parlamente verlagern sollte.
Ohne sein Zutun sei der Friedensprozess nicht denkbar gewesen, sagte Ex-Premierminister Tony Blair am Dienstag. McGuinness habe Mut gezeigt und ruhige Beharrlichkeit. Denn für seinen angeblich weichen, auf Konsens setzenden Kurs wurde er von vielen IRA-Hardlinern verachtet.
Die Qualitäten, die McGuinness zu einem „gefürchteten Feind“ des britischen Staats machten, so Blair, machten ihn auch zu einem „eindrucksvollen Friedensbringer“. Hart, aber fair, so wurde der Vater von vier Kindern oft beschrieben. Erst vor zehn Jahren passierte das für viele Unvorstellbare. Gemeinsam mit dem Protestantenführer Ian Paisley übernahmen die beiden Vertreter der radikalen gesellschaftlichen Strömungen die Regierungsverantwortung. Aus Feinden wurden Freunde, die „Kicherbrüder“ stabilisierten den Friedensprozess.
Lautstarker Brexit-Gegner
Im Januar trat McGuinness, ein lautstarker Brexit-Gegner, von seinem Amt als stellvertretender Erster Minister in Nordirland zurück und provozierte damit Neuwahlen. Den Traum eines wiedervereinigten Irlands gab er derweil nie auf.
Während zahlreiche Briten McGuinness für seine Rolle als Friedensstifter würdigten, können und wollen ihm andere seine terroristischen Jahre nicht vergeben. Die Welt sei durch seinen Tod „ein besserer Ort“, meinte etwa Lord Tebbit, Ex-Minister der Ära Margaret Thatcher und Opfer eines Sprengstoffattentats der IRA in Brighton, das eigentlich der Premierministerin galt.