Wie lange die deutsch-israelische Verstimmung, die beim Besuch von Außenminister Sigmar Gabriel in Jerusalem entstand, anhalten wird, wird sich zeigen. Gabriel fand für sein Treffen mit regierungskritischen Gruppen viel Zustimmung und Unterstützung hierzulande. Es gab aber auch kritische Stimmen sowohl hier wie da. Auch die von Arye Sharuz Shalicar. Der 39-Jährige, der in Berlin aufgewachsen, nach Israel ausgewandert ist und dort die Regierung von Benjamin Netanjahu berät, erklärt, warum dieser ein Treffen mit Sigmar Gabriel abgesagt hat
Arye Sharuz Shalicar: Jeder Politiker, der aus Deutschland nach Israel kommt, fordert mit den immer gleichen stereotypen Sätzen die Zwei-Staaten-Lösung. Die wollen wir Israelis auch, aber viele Deutsche verstehen nicht, dass man diese Lösung nicht erzwingen kann. Dazu muss man Vertrauen aufbauen, sich wieder näherkommen – und dazu braucht man verlässliche Partner auf der anderen, der palästinensischen Seite. Die beiden Organisationen jedoch, die Sigmar Gabriel am Dienstag besucht hat, bauen kein Vertrauen auf, sondern säen nur neues Misstrauen.
Shalicar: Ich war sowohl in Deutschland Soldat als auch in Israel, und ich habe kein Problem damit, wenn jemand Missstände klar benennt oder sie aufdeckt. Ich käme aber nicht im Traum auf die Idee, Herrn Gabriels Gesprächspartner auf eine Stufe mit Organisationen wie Amnesty International oder Greenpeace zu stellen. „Breaking the silence“ und „B'Tselem“ sind politische Gruppierungen, die ihr Geld aus dem Ausland bekommen und dort ein Israel-Bild zeichnen, das nicht der Realität entspricht, nämlich das eines Unrechtsstaates, der die Palästinenser im Westjordanland terrorisiert. In Israel selbst nimmt diese Propaganda, die im Übrigen auch den Antisemitismus schürt, mit Ausnahmen einiger extremer Linker niemand wahr.
Und überhaupt: Wie kann es sein, dass Herr Gabriel mit dem größten Terrorförderer der Welt, der Islamischen Republik Iran und ihrer antisemitischen Führung, kuschelt und Geschäfte vorantreibt? Meint er, Jerusalem sieht das nicht? Trifft er, geschweige denn, finanziert er regierungskritische Organisationen im Iran? Wenn nicht, wieso nicht?
Shalicar: Die israelische Regierung hat kein Problem damit, wenn ausländische Gäste Regierungskritiker wie Oppositionschef Izchak Herzog oder die frühere Außenministerin Tzipi Livni treffen. Die Oppositionellen, mit denen Herr Gabriel sich verabredet hat, haben sich allerdings nur als Menschenrechtsorganisationen verkleidet, sie haben keine Bedeutung und sollten deshalb auch für andere Staaten keine Bedeutung haben. Das müsste er eigentlich wissen. Am Ende aber wollte offenbar niemand mehr nachgeben, weder Herr Netanjahu noch Herr Gabriel.
Shalicar: Wie Angela Merkel lebt auch Benjamin Netanjahu in einer Koalitionswelt und muss zwischen mehreren sehr verschiedenen Partnern ausgleichen und vermitteln. In einem allerdings sind sich linke wie rechte Parteien in Israel einig: Sie wollen hier in Frieden leben – mit den Palästinensern, mit den Syrern, mit dem Libanon und auch mit dem Iran. Was wir nicht wollen, sind Politiker aus dem Ausland, die mit dem erhobenen Zeigefinger zu uns kommen. Deutschland ist für uns ein wichtiger Partner, ja. Aber Deutschland sollte uns umgekehrt auch als wichtigen Partner betrachten.
Shalicar: Seien wir ehrlich: Israel kritisiert Deutschland und seine Kanzlerin eigentlich in nichts. Wir halten zu unserem Partner, in der Politik, in der Wirtschaft, in der Zusammenarbeit der Geheimdienste. Umso trauriger ist es, dass Deutschland alles auf die Siedlungsfrage reduziert.
Das ist wie in einer Beziehung im richtigen Leben: Wenn du Liebe gibst und der andere sie nicht erwidert, ist irgendwann die Beziehung am Ende. Deshalb sollte man immer auf seinen Partner hören.
Shalicar: In der Politik hat alles mit allem zu tun. Das ist allerdings keine persönliche Sache zwischen Herrn Netanjahu und Herrn Gabriel oder zwischen Herrn Netanjahu und Frau Merkel. Jeder Staat vertritt seine Interessen, und das größte Interesse des Staates Israel ist es, seine Bevölkerung zu beschützen. Wenn wir Siedlungen räumen oder sie legalisieren, dann tun wir das, um weiter in Sicherheit leben zu können. Sich jetzt bedingungslos auf eine Zwei-Staaten-Lösung einzulassen, wäre politischer Selbstmord, weil die Hamas aus dem Gaza-Streifen sofort das Westjordanland überrennen und auf Israel zumarschieren würde.