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WASHINGTON
Video löst Republikaner-Revolte gegen Trump aus
Trump apologizes over remarks in 2005 video tape       -  Nach der Enthüllung seiner frauenfeindlichen Sprüche kämpft Kandidat Trump um sein politisches Überleben.
Foto: Tannen Maury, dpa | Nach der Enthüllung seiner frauenfeindlichen Sprüche kämpft Kandidat Trump um sein politisches Überleben.
Dr. Jens Schmitz
Jens Schmitz
 |  aktualisiert: 16.10.2016 03:40 Uhr

Entscheidet eine Videoaufzeichnung aus dem Jahr 2005 den aktuellen US-Präsidentschaftswahlkampf? Nach der Enthüllung frauenfeindlicher Äußerungen kämpft Donald Trump um sein politisches Überleben, republikanische Spitzenpolitiker kündigen ihm die Gefolgschaft. Die Wahltaktik der Partei befindet sich in offener Auflösung, statt auf Sieg scheinen die Chefstrategen nur noch auf Schadensminimierung konzentriert.

Die „Washington Post“ hatte am Freitag ein Video aus 2005 veröffentlicht, in dem der Milliardär in vulgärer Weise über Frauen herzieht und damit prahlt, sie ungestraft begrapschen zu können. Am Wochenende hatten daraufhin zahlreiche Republikaner Trump ihre Unterstützung entzogen. Eine wachsende Anzahl forderte ihn auch auf, das Feld zu räumen und seinem Vize Mike Pence oder einem anderen Ersatz das Feld zu überlassen. Eine Rochade zu diesem späten Zeitpunkt wäre aber schon aus formalen Gründen schwierig.

Kandidat zeigt sich uneinsichtig

Trump selbst zeigte sich uneinsichtig: Nach einer halbherzigen Entschuldigung erklärte er am Wochenende, es gebe „null Chancen“ für einen Rückzug. „Ich habe unglaubliche Unterstützung.“ Einer Politico-Blitzumfrage zufolge waren nach Veröffentlichung der Bänder zwölf Prozent der Republikaner dafür, dass Trump seine Kampagne beendet. Unter konservativen Frauen betrug der Anteil 13 Prozent.

Das Video hatte zahlreiche Publikationen am Wochenende zu einer Premiere geführt: Wörter wie „fuck“ (ficken), „bitch“ (Schlampe), „tits“ (Titten), „shit“ (Scheiße) und „pussy“ (Muschi/Scheide) erscheinen in respektablen Medien gewöhnlich allenfalls in Umschreibung. Diesmal druckte sie selbst die ehrwürdige „New York Times“ auf ihrer Titelseite: Seit den Tagen von Richard Nixon ist im Dunstkreis des Weißen Hauses niemand mehr mit so harschen Sprüchen aufgefallen wie Trump.

Der entsprechende Film wurde 2005 am Rande einer Aufzeichnung für die Seifenopfer „Days of Our Lives“ aufgenommen. Trump unterhielt sich in einem Bus mit dem bekannten Moderator Billy Bush, während sein Mikrofon bereits scharf geschaltet war. Unter anderem sagte er über Frauen: „Wenn du ein Star bist, lassen sie dich alles machen. Greif ihnen an die Muschi. Du kannst alles tun.“ Trump war damals gerade frisch mit seiner dritten Ehefrau verheiratet. Er schien auch damit zu prahlen, sich Frauen gegen ihren Willen aufzuzwingen.

CNN und andere Medien haben inzwischen nachgelegt und Aufzeichnungen aus anderen Sendungen bekannt gemacht. Unter anderem spricht Trump dabei über seine „üppige“ Tochter Ivanka, Sex während der Menstruation und 35 als „Check out“-Alter, in dem Frauen zugunsten jüngerer Konkurrentinnen verlassen werden sollten.

Scharfe Reaktionen

Die Reaktion seiner Parteigenossen war ungewohnt scharf. Repräsentantenhaussprecher Paul Ryan, der wichtigste Konservative im Kongress, sagte, Trumps Äußerungen verursachten ihm Übelkeit; er lud den Milliardär aus einer gemeinsamen Wahlveranstaltung aus. Ryan ging aber nicht so weit, ihm seine Unterstützung zu entziehen. Vizekandidat Mike Pence sagte, er könne Trump nicht verteidigen, blieb aber ebenfalls an Bord der Kampagne. Andere vollzogen einen endgültigen Bruch, darunter der republikanische Präsidentschaftskandidat von 2008, Senator John McCain. Die ehemalige Außenministerin Condoleeza Rice und Trumps einzige weibliche Konkurrentin aus dem Vorwahlkampf, Carly Fiorina, riefen Trump ebenfalls zum Rückzug auf.

In mehreren Bundesstaaten hat die Vorabwahl bereits begonnen. Es wäre zum jetzigen Zeitpunkt deshalb nicht mehr möglich, Trumps Namen auf allen Wahlscheinen zu ersetzen. Doch viele Konservative scheinen das Präsidentenamt inzwischen verloren zu geben und sich vorrangig Sorgen um ihre Sitze im Kongress zu machen. Das Online-Magazin Politico veröffentlichte eine E-Mail, die nahelegt, dass die Parteiführung überlegt, den weiteren Wahlkampf unabhängig von Trump zu führen.

Vorwürfe an Bill Clinton

Trumps Lager schien den Ernst der Lage zu begreifen. In einem ungewöhnlichen Schritt veröffentlichte der Milliardär noch in der Nacht auf Samstag ein Entschuldigungsvideo, allerdings in typisch trotziger Manier: Er sei nicht fehlerlos, erklärte der 70-Jährige darin. „Ich habe ein paar dämliche Dinge gesagt, aber es gibt einen großen Unterschied zwischen (diesen) Worten und den Taten anderer Leute. Bill Clinton hat Frauen wirklich missbraucht, und Hillary hat seine Opfer schikaniert, angegriffen, beschämt und eingeschüchtert.“ Zum Ende der 90-Sekunden-Aufzeichnung orakelte Trump: „Wir werden darüber in den kommenden Tagen ausführlicher sprechen. Wir sehen uns bei der Debatte am Sonntag.“

Die für den Sonntagabend geplante zweite TV-Debatte zwischen Clinton und Trump sahen Beobachter im Vorfeld mehr als Überlebenschance für den Republikaner denn als Möglichkeit zu einem echten Comeback. Trump spielt länger schon öffentlich mit der Idee, die Affären von Clintons Ehemann Bill zum Wahlkampfthema zu machen. Die meisten Strategen glauben aber, dass dieser Schuss beim Wähler nach hinten losgehen könnte. Es kandidiert schließlich nicht Bill, sondern Hillary.

 
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