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HANNOVER/WÜRZBURG
Verseuchtes Futtermittel entdeckt
Kuhstall       -  Kühe stehen in einem Stall in Niedersachsen. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums ist tonnenweise verseuchtes Maisfutter in Umlauf gekommen. Foto: Peter Steffen
| Kühe stehen in einem Stall in Niedersachsen. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums ist tonnenweise verseuchtes Maisfutter in Umlauf gekommen. Foto: Peter Steffen
Von unseren Redaktionsmitgliedern SUSANNE POPP und JULIA KNETZGER
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:02 Uhr

Der dritte Lebensmittelskandal: Deutschlandweit sind tausende Tonnen von vergiftetem Mais im Tierfutter gelandet. Mehr als 3500 Höfe wurden in Niedersachsen mit dem Futter beliefert, das mit dem krebserregenden Pilzgift Aflatoxin verseucht ist. In Bayern gibt es laut Auskunft des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bisher jedoch keine betroffenen Betriebe.

Nach Angaben des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums werde bislang davon ausgegangenen, dass die Lieferung mit dem verseuchten Mais aus Serbien stammt und über den niedersächsischen Hafen Brake importiert wurde. Mindestens 10 000 Tonnen sollen von dort in Umlauf gekommen sein. Alleine in Niedersachsen wurde der Mais von 13 Herstellern zu Futter für Schweine, Rinder und Geflügel verarbeitet. Kleinere Mengen des Tierfutters seien nach Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern gegangen, teilte das Landwirtschaftsministerium mit. „Bayern ist nach derzeitigem Kenntnisstand nicht betroffen“, sagt Katrin Grimmer, Sprecherin des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Die Behörden seien aber erst dabei, alle Lieferketten zu rekonstruieren.

Für die Verbraucher in der Region sieht Wilhelm Böhmer, Direktor des Bauernverbandes Ober- und Unterfranken, jedoch zunächst keine Gefahr. „Ich glaube es gibt nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass das Futtermittel nach Bayern gekommen ist“, sagt Böhmer. Theoretisch könne es natürlich sein, dass ein betroffener Futtermittelhersteller auch bayerische Abnehmer habe. Allerdings könne man die Wege des Futtermittels normalerweise schnell nachvollziehen. Und: „Hersteller aus der Region beziehen ihren Mais nicht aus diesem Hafen“, sagt Böhmer. Die BayWa AG, selbst großer Futtermittelbezieher, hat dennoch kurz nach dem Vorfall in Niedersachsen ihre Lieferungen überprüfen lassen. „Wir haben keine Waren aus besagter Lieferung erhalten“, bestätigt Sprecherin Maria Crusius.

Das in den niedersächsischen Betrieben nachgewiesene Schimmelpilzgift Aflatoxin B1 wirkt stark krebserregend. Der zulässige Höchstwert von Aflatoxin beträgt 0,02 Milligramm pro Kilogramm und sei bei dem betroffenen Mais um mehr als das Zehnfache überschritten worden. In Futtermitteln können jedoch schon geringe Überschreitungen der Höchstmenge zu einer kritischen Belastung von zum Beispiel Rohmilch führen. In Fleisch und Eiern hingegen könne sich das Gift nicht bedenklich hoch anreichern, sagte der Abteilungsleiter des niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz, Michael Kühne. Für Verbraucher sei somit nur Milch ein Risiko. Allerdings bedeuten die bisher gefundenen Konzentrationen laut Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung keine akute Gesundheitsgefahr für Verbraucher.

„Wenn bei uns kontaminierte Milch angeliefert würde, würden wir das schon im Rohstoff merken“, sagt Wolfgang Schmitt von der Bayerischen Milchindustrie (BMI) Würzburg. „Unsere Milch kommt nicht aus Niedersachsen, wir haben fränkische Milch.“ Zudem werde jede Lieferung dem gesetzlich vorgeschriebenen Hemmstofftest unterzogen. Standardmäßig gebe es in Deutschland speziell für Aflatoxine seit einigen Jahren eine Überprüfung, sagt Fritz Baumann, zuständig für die Betreuung der Lieferanten bei der BMI. „Wenn es den Schimmelpilz in der Milch hier gäbe, hätte man ihn entdeckt.“ Bisher habe man in der Region nichts gefunden.

Klaus Dietz, Landwirt aus Bundorf (Lkr. Haßberge), kritisiert das Billig-System in der Futtermittelindustrie. Er selbst stellt seinen Hof auf Bio-Landwirtschaft um, das Futter für seine Kühe komme aus der Region. Aber: „Wenn Landwirte Milch für 30 Cent produzieren müssen, sind sie eher empfänglich dafür, billiges Futtermittel einzukaufen“, sagt der Landkreisvorsitzende im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. Wenn Verbraucher nur billig essen wollen, dürften sie sich über Rückstände im Tier oder in der Milch nicht wundern.

Bereits in den vergangenen Monaten habe es laut Bundesverbraucherministerium wiederholt Warnungen zu erhöhten Aflatoxin-Gehalten in Mais aus verschiedenen EU-Staaten gegeben. In Serbien hatte ein Labor vergangene Woche in der Milch mehrerer Marken erhöhte Aflatoxin-Werte festgestellt, sagte der serbische Agrarexperte Vladimir Pekic. Der dafür verantwortliche Schimmelpilz, der den Mais befällt, habe sich im Sommer 2012 verbreitet. Mit Informationen von dpa

Schimmelpilzgift

Aflatoxine werden von einigen Schimmelpilzen gebildet. Das gefährlichste Gift ist Aflatoxin B1. Es ist krebserregend und kann bei einer regelmäßigen Einnahme zu Schäden im Erbgut und im Immunsystem führen. Die akut tödliche Dosis beim Menschen wird auf ein bis zehn Mikrogramm pro Kilo Körpergewicht geschätzt. Der Pilz befällt Samen, Nüsse, Gewürze sowie Getreidesorten und Früchte. Aufgrund der Wachstumsbedingungen der Pilze bei Temperaturen zwischen 25 und 40 Grad sind sie überwiegend in tropischen und subtropischen Gebieten beheimatet. In Europa gelten sie daher als „importierte Toxine“. Quelle: dpa

ONLINE-TIPP

Von BSE bis EHEC – ein Lebensmittelskandal jagt den anderen. Chronologie: www.mainpost.de/gesundheit

 
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