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BERLIN
Verfehlte Klimaziele und Familiennachzug als Themen für Koalition
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 19.10.2017 03:20 Uhr

Angela Merkel gab ihr Wort. Die Bundesregierung werde alles tun, um die ehrgeizigen Klimaziele, die man auf internationaler Ebene verbindlich zugesagt habe, auch einzuhalten, versprach die Bundeskanzlerin noch im Wahlkampf. „Wir werden Wege finden, wie wir bis 2020 unser 40-Prozent-Ziel erreichen“, sagte sie.

Tatsächlich jedoch spricht alles dagegen, dass Deutschland es schafft, bis Ende 2020 den Ausstoß der klimaschädlichen Treibhausgase um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Nachdem schon das Umweltbundesamt im Frühjahr gemeldet hatte, dass 2016 der Kohlendioxid-Ausstoß im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sei, kommt nun auch das Umweltministerium in einem internen Papier zu dem Schluss, dass Deutschland die Klimaziele deutlich verfehlen wird, da die Lücke zum Ziel deutlich größer als bislang angenommen sei.

Ohne eine „Nachsteuerung“ sei in den verbleibenden drei Jahren bestenfalls eine Reduzierung von 32,5 Prozent möglich, im schlechtesten Falle sinke der Ausstoß sogar nur um 31,7 Prozent, heißt es in dem Papier, aus dem die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert. Damit aber stehe das Ansehen Deutschlands auf dem Spiel, urteilen die Beamten aus dem Hause von Noch-Umweltministerin Barbara Hendricks: „Eine Zielverfehlung in einer solchen Größenordnung wäre für die Klimaschutzpolitik Deutschlands ein erheblicher Rückschlag.“

Grund für den Anstieg des Kohlendioxid-Ausstoßes seien „eine ganze Reihe Fehleinschätzungen der wirtschaftlichen Entwicklung“, heißt es in dem Papier. So hätten sowohl der Anstieg der Bevölkerung als auch das kräftige Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren zu einem erhöhten Stromverbrauch geführt, was den Ausstoß um rund zehn Millionen Tonnen pro Jahr erhöhte.

Zwar sei der Anteil der erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, gleichzeitig jedoch sei auch mehr Strom aus Braunkohle und Steinkohle für den Export produziert worden – das bedeutet unterm Strich noch einmal zehn Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Die wachsende Bevölkerung benötige zudem mehr Heizenergie. Der niedrige Ölpreis habe die Verbraucher davon abgehalten, beim Heizen zu sparen oder auf das umweltfreundlichere Gas umzusteigen, mit der Folge, dass im letzten Winter mehr Öl und weniger Gas verfeuert wurde.

Gleichzeitig stieg auch das Verkehrsaufkommen in den vergangenen Jahren deutlich. Ein stark gestiegener Diesel-Absatz lasse darauf schließen, „dass die Lkw-Fahrleistungen höher als erwartet liegen“. Auch bei Kleinlastwagen und Autos sei der Verbrauch nicht gesunken, sondern gestiegen, unter anderem wegen des niedrigen Benzinpreises.

Alle Entwicklungen zusammen hätten zur Folge, dass Deutschland 2020 nicht 750 Millionen Tonnen ausstoße, wie versprochen, sondern 844 Millionen Tonnen.

Noch ein anderes Thema könnte eine Belastung der Koalitionsgespräche darstellen. Rund 70 000 Syrer und Iraker bemühen sich derzeit um einen Familiennachzug zu Angehörigen in Deutschland. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus dem Auswärtigen Amt. Demnach liegen an den zuständigen deutschen Auslandsvertretungen in Beirut, Amman, Erbil, Ankara, Istanbul und Izmir in dieser Zahl Terminanfragen für einen Familiennachzug zu syrischen und irakischen Schutzberechtigten vor.

Von Anfang 2015 bis Mitte 2017 erteilte das Außenamt bereits rund 102 000 Visa zum Familiennachzug für Syrer und Iraker. Auf Basis der Terminbuchungen und bisheriger Werte schätzt das Ministerium, dass bis 2018 etwa 100 000 bis 200 000 weitere hinzukommen könnten. Die Linke-Politikerin Ulla Jelpke sprach von einer überschaubaren Zahl und forderte, den Familiennachzug nicht weiter einzuschränken.

Asylsuchende, die in Deutschland Schutz bekommen, dürfen Ehepartner und minderjährige Kinder zum Teil nachholen. Andersherum dürfen auch anerkannte minderjährige Flüchtlinge ihre Eltern hinterherholen. Für eine bestimmte Gruppe mit eingeschränktem Schutzstatus hatte die Große Koalition den Familiennachzug im März 2016 beschränkt und für zwei Jahre ausgesetzt: bis März 2018. Die Union will bei dieser Gruppe auch über diesen Termin hinaus verbieten, dass enge Familienangehörige nachziehen.

Die Grünen, mit der FDP möglicher Partner von CDU und CSU in einer Jamaika-Koalition, lehnen dies ab. Mit Informationen von dpa

 
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